Am 7. April verstarb in Brixen Br. Bruno Haspinger

Comboni-Bruder Bruno Haspinger  
(26.05.1940 / 7.04.2021)

Bruder Bruno ist am 26.5.1940 in Taisten im Pustertal (Südtirol) geboren. Er war nicht der einzige Comboni-Missionar aus diesem Ort. Auch andere markante Mitbrüder haben von dort den Weg nach Milland bei Brixen gefunden, wie z. B. der Künstler Bruder Johann Oberstaller. Besonders dieser und einige andere Brudermissionare in Brixen haben Bruno sehr beeindruckt, wie er sagte.

Mit 18 Jahren begann er das Noviziat in Josefstal. „Ein pfiffiger Bursche“, schrieb sein Novizenmeister in einer Kurzbeurteilung über ihn. Da damals die Mitbrüder fast immer die Ordenskleidung, den Talar, trugen, war einer der wichtigsten Berufe von Brudermissionaren der des Schneiders. Bruno kam zu Bruder Vinzenz Plank in die Schneiderei. Dort machte er seine Ausbildung als Schneider, die er mit der Meisterprüfung abschloss. Auch wenn er diesen Beruf in der Folgezeit fast nie ausübte, denn die „Kleiderordnung“ im Ordenshaus hatte sich inzwischen total geändert, das heißt der Talar wurde kaum noch getragen: Bei jeder Meisterprüfung ist handwerkliches und praktisches Können gefragt. Daran hat es Bruno nie gefehlt.

Statt in der Schneiderei zu sitzen, besuchte Bruno zusammen mit Bruder A. Sailer viele Orte in der weiteren Umgebung von Ellwangen und die dortigen Jugendgruppen und Schulen, um Jugendliche für ein Leben als Brudermissionar zu begeistern, und das nicht ohne Erfolg. In das 1975 neu gebaute Josefstal und in die dortigen Werkstätten kamen zahlreiche junge Lehrlinge. Mancher von ihnen ging auch ins Noviziat und wurde Brudermissionar.

Bruder Bruno wurde praktisch zum Sprecher der Brüder und hatte bald auch großen Einfluss auf das Geschehen in der Provinz überhaupt. Er kämpfte dafür, dass die Brudermissionare eine mit den Priestern vergleichbare Ausbildung und Stellung in der Ordensprovinz erhielten, nur eben statt Theologie eine handwerkliche oder andere Fachausbildung. Es sollte keine Zweiklassengesellschaft im Orden geben. Er setzte sich dafür ein und erreichte, dass beim neugebauten Josefstal Werkstätten errichtet wurden. Als das Josefinum 1981 geschlossen wurde, erreichte er, dass das Gebäude in Ellwangen nicht verkauft, sondern Sitz der Provinzleitung wurde.

Das alte Missionshaus Josefstal in Schleifhäusle gestaltete er um zu einem Jugendhaus. Er nahm dann auch Kontakt auf mit dem Gründer der KIM-Bewegung, Pater Hubert Leeb (OFS). KIM (Kreis junger Missionare) war eine damals neue Form der katholischen Jugendbewegung, auch mit dem Ziel, Jugendliche für einen kirchlichen Beruf zu gewinnen. Es entstanden KIM-Gruppen, Gruppen von Kindern und Jugendlichen, in der weiteren Umgebung von Ellwangen und darüber hinaus. Josefstal wurde ein von Gruppen aus der ganzen Diözese gern besuchtes Jugendzentrum. Das alte Josefstal war wieder voller Leben.

Von Freunden erfuhr Bruno von einer Alm bei Steibis, die aufgeforstet und deren dazugehörige Almhütte dem Verfall überlassen werden sollte. Er erreichte vom Besitzer, Fürst Waldburg-Zeil, dass diese von der KIM-Bewegung gepachtet und zu einem Jugendfreizeithaus umgestaltet werden konnte, die sogenannte KIM-Hütte. Noch heute finden dort jeden Sommer Hüttenfreizeiten statt.

Bis dahin, so kann man sagen, spielte sich die Tätigkeit von Bruder Bruno im engeren kirchlichen Bereich ab, und es gab wenig Reibungsfläche und Widerspruch. Das änderte sich ab etwa Ende der 1970er-Jahre. In Teilen der deutschen Kirche und ihrer Jugendarbeit rückte, auch unter dem Einfluss der so genannten Befreiungstheologie aus Lateinamerika, eine soziale und politische Dimension in den Vordergrund. Es stellte sich die Frage: Wie kann die Welt gerechter werden und was können wir, auch als Kirche, dazu beitragen? Es näherte sich die 500 Jahrfeier der „Entdeckung“ Amerikas (1992). Kritische Fragen zur Rolle der Kirche etwa bei der Missionierung Lateinamerikas drängten sich dabei auf. Geht es in der Mission nur darum, zu evangelisieren, Gottesdienst zu halten, Sakramente zu spenden und armen Leuten zu helfen? Müssen sich Christen nicht auch engagieren gegen Ausbeutung und für eine gerechtere Welt- und Wirtschaftsordnung. Die Themen der Theologie der Befreiung wurden auch unter den Comboni-Missionaren diskutiert, vor allem in Brasilien und in Ecuador. Erste deutschsprachige Mitbrüder waren dort tätig, so etwa Pater Franz Weber in Balsas in Brasilien. Bruder Bruno war sehr empfänglich und sensibel für diese Themen. Es waren auch politische Themen. Und da gingen die Meinungen auseinander. Es gab Widerstand, auch unter den Mitbrüdern.

Eine Konsequenz dieser Ausrichtung war 1982 die Gründung der „Informations-und Bildungsstätte Ellwangen“ (IBE) – 1999 umbenannt in „Werkstatt solidarische Welt“ (WSW). Das Gebäude des 1981 geschlossenen Josefinums bot Gelegenheit für eine große Ausstellung über Themen der internationalen Gerechtigkeit und für eine Fachbibliothek. Auch der erste Weltladen in Ellwangen fand mit Hilfe von Bruder Bruno dort seinen Platz. In der WSW wurden mehrere Bildungsreferenten angestellt und zahlreiche Vorträge und Besinnungstage zu den genannten Themen organisiert.

Bruder Bruno bekam im Jahr 1990 selber Gelegenheit, zu einem Einsatz nach Brasilien zu gehen, konkret nach Balsas im Nordosten des Landes. Dort wirkte er an der Gründung einer Bauernorganisation mit, der ACA, einem Zusammenschluss von Kleinbauern, die sich gegen übermächtige und korrupte Großgrundbesitzer zur Wehr setzte. Unterstützt wurde Bruno dabei von vielen Freunden, vor allem aus Ellwangen.

Ein Schlangenbiss, den er nur knapp überlebte, zwang ihn im Jahr 2000 zur Rückkehr nach Europa, konkret nach Brixen. Inzwischen war auch dort das Seminar Xaverianum geschlossen worden. Auf Initiative von Bruno wurde das Gebäude ein sogenanntes „Haus der Solidarität“ (HdS), ein Haus der Begegnung und Zuflucht für Migranten und an den Rand der Gesellschaft gedrängte Menschen.

Nach einem nochmaligen Aufenthalt in Brasilien von 2006 – 2008, den er aus gesundheitlichen Gründen wieder abbrechen musste, übernahm er in Ellwangen bis 2015 das Amt des Missionsprokurators. Die letzten sechs Jahre war er wieder in Brixen. Dort setzte er noch einen neuen Akzent: Er setzte durch, dass die nach Umbauten und Verkauf verbliebenen landwirtschaftlich nutzbaren Flächen einem jungen Ehepaar für einen Biohof zur Verfügung gestellt wurden. Seine gesundheitlichen Probleme nahmen zu. Aber er blieb weiterhin unternehmungsfreudig und ein Ideengeber mit Plänen für die Zukunft, bis Ende März sich die ganze Hausgemeinschaft in Milland mit Covid 19 infizierte. Mehrere Mitbrüder mussten ins Krankenhaus, und Bruder Bruno starb am 7. April. Zurück auf seinem Schreibtisch blieben die Vorarbeiten für den Jahreskalender 2022 des „Werk des Erlösers“, viele Fotos, die er für das Archiv digitalisieren wollte, und andere Vorhaben. Er war mitten aus der Arbeit herausgerissen worden.

Bruder Bruno hat Spuren hinterlassen, auch in der Comboni-Gemeinschaft. Obwohl er, außer einmal als Delegierter beim Generalkapitel 1979, und die letzten Jahre in Brixen als stellvertretender Hausoberer nie Mitglied eines Leitungsgremiums war, war er doch in den letzten 40 Jahren an fast allen wichtigen Entscheidungen der deutschsprachigen Provinz maßgeblich beteiligt. Bruno war ein Ideengeber und Inspirator, manchmal sehr direkt, undiplomatisch, unbequem, nicht selten auch verletzend, aber nie nachtragend. Was er machte, machte er ganz. Wenn er von etwas überzeugt war, setzte er es durch und scheute auch den Konflikt nicht. In dieser Hinsicht glich er – bei allen Unterschieden – Daniel Comboni, der ebenfalls ein unermüdlicher Kämpfer für eine bessere Welt war, der sich einsetzte für die Unterdrückten, der sich mit Autoritäten anlegte und zu Lebzeiten auch oft genug im Widerspruch der Meinungen stand.
[Pater Reinhold Baumann - Comboni-Missionare]