Br. Hans Eigner: „Die Erfahrungen aus meiner Zeit in Kenia und im Südsudan“

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Samstag, 12. Februar 2022
Lange Jahre habe ich in einem Elendsviertel (Kariobangi) in Nairobi/Kenia gelebt und gearbeitet. 200.000 Menschen leben dort in menschenunwürdigen Verhältnissen. Die Armut, verursacht durch eine enorme Landflucht und schlechte staatlicher Politik, hat dort viele, oft dramatische Gesichter. Trotz alledem gab es ein Wort, das ich praktisch jeden Tag gehört habe: „Mungu yupo“ (Gott ist da). [Im Bild: Bruder Hans Eigner in Juba, Südsudan
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Ein Missionar fällt nicht vom Himmel

Die Weitergabe des Glaubens hat in den vergangenen Jahren in unserer Gesellschaft nicht mehr so richtig stattgefunden und wir haben den lautlosen Auszug aus der Kirche. Vielleicht trägt auch die Corona-Krise besonders dazu bei. Für den lautlosen Auszug gibt es viele Erklärungen, kircheninterne und externe. Vielleicht waren wir alle mit Wohlstandsvermehrung, Fortschritt und Machbarkeitsdenken beschäftigt und haben das entscheidende, nämlich Gott, einfach vergessen oder übersehen.

P. Alfred Delp schreibt kurz vor seiner Ermordung durch die Nazis, dass der moderne Mensch nicht mehr gottfähig ist. Und ich spüre das auch bei mir. Wir nehmen uns nicht mehr als Kinder Gottes wahr. Wir haben alle Mittel entwickelt, um uns selbst zu erlösen, und dabei hat sich uns der Himmel verschlossen. Und weil wir auch nicht mehr an einen Himmel glauben, sind wir bemüht, den Himmel auf Erden zu schaffen. Das überfordert uns nicht selten, und noch schlimmer, wir überfordern uns gegenseitig.

In dieser Situation von Mission zu sprechen ist nicht leicht, und auch ich könnte es nicht, wenn ich nicht Mission im wirklichen Sinn erlebt hätte. Aus diesem Grund will ich Ihnen ein paar Erfahrungen mitteilen.

Lange Jahre habe ich in einem Elendsviertel (Kariobangi) in Nairobi/Kenia gelebt und gearbeitet. 200.000 Menschen leben dort in menschenunwürdigen Verhältnissen. Die Armut, verursacht durch eine enorme Landflucht und schlechte staatlicher Politik, hat dort viele, oft dramatische Gesichter. Trotz alledem gab es ein Wort, das ich praktisch jeden Tag gehört habe: „Mungu yupo“. Das ist Kiswahili, und übersetzt heißt es: „Gott ist da“. Dies ist die ganze, ja eigentlich wunderbare, Theologie Afrikas, der Glaube Afrikas. In dieser Haltung kämpfen sich viele durch das Leben. Dadurch erhalten sie die notwendige Kraft, den schweren Alltag zu meistern. Gott ist da – Gott geht mit. So wächst die Hoffnung, dass es irgendwann ein wenig besser wird – wenngleich ganz anders, als man es sich ausgemalt hat. Wie sonst könnten zerrissene Familien, alleinerziehende Mütter, Arbeitslose, Straßenkinder und Aidskranke die Anstrengung und den Kampf des Lebens auf sich nehmen? Anstrengungen, obwohl es für sie in absehbarer Zeit keine entscheidende Verbesserung im Leben geben wird.

Nur so können viele im besten Sinn des Wortes „in den Tag hinein“ leben – ohne Bankkonto, ohne soziale Absicherung, vielleicht ohne zu wissen, was es am Abend zum Essen geben wird. Aber ihre Erfahrung sagt, dass es immer wieder gut ausgeht – natürlich mit vielen leidvollen Abstrichen

Ich ging als „Weltverbesserer“ 1984 nach Afrika und kam als Missionar zurück. In Afrika habe ich die tieferen Schichten des Glaubens von den Menschen gelernt. Ich sage gerne: Ein Missionar fällt nicht vom Himmel, sondern man wird einer, indem man sich auf die Menschen und das Wort Gottes einlässt. Im Zusammenleben mit den Menschen habe ich viel gelernt und meinen eigenen Glauben vertieft. So kann ich sagen, dass eine Berufung mit dem Glauben wächst.

Wir Missionare sind Zeugen, dass immer dort, wo Menschen das Evangelium mit Herz und Offenheit in die Hand nehmen, die Gesellschaft und das Miteinander besser und menschlicher werden. So habe ich erfahren, dass Kirche immer wieder neu entsteht und wächst.

Die Pfarrei Kariobangi in Kenia mit ihren 300.000 Menschen hat eine große Hauptkirche und wenige Priester, aber sie ist aufgebaut auf 75 sog. Kleine Christliche Gemeinschaften (KCG). Hier muss man sich Nachbarschaftskreise von 30 bis 50 Personen vorstellen, die sich neben dem Sonntagsgottesdienst wöchentlich zum Bibelgebet in ihren Hinterhöfen oder Straßenzügen treffen. Die Menschen lesen das Evangelium des kommenden Sonntags und fragen sich im Gebet, was in der unmittelbaren Umgebung schief läuft oder besser werden soll. Sie fragen sich, wo Kranke auf einen Besuch warten; wo Arme eine notwendende Hilfe brauchen, egal welchem Stamm oder Religion sie angehören; wo Familien hungern oder die Kinder nicht in die Schule schicken können, da das Schulgeld nicht da ist; wo Jugendliche eine Führung brauchen, damit sie nicht als Straßenkinder in den Müllhalden verschwinden.

Immer geht es um die Frage: Wie kann Gottes Reich bei uns mehr und mehr Gestalt annehmen? Es beeindruckt jeden Missionar, welche Kraft das Evangelium in den Händen der Armen entwickelt und mit wie viel Phantasie und Hingabe die Menschen ihren Glauben leben. So geschieht es zum Beispiel, dass eine Familie, die schon fünf oder mehr Kinder hat, auch noch die Kinder der verstorbenen Nachbarin aufnimmt. Ohne viel Aufsehen geschieht in Afrika viel Hilfe und soziale Arbeit, von der kaum berichtet wird. Genau da knüpfen wir als Missionare an. Und genau dort wird der Glaube zu einem Fest, der das Leben besser und schöner macht.

In den vergangenen Jahren im – menschlich gesehen – aussichtslosen Südsudan ist mir immer mehr klargeworden, dass unser Glaube das Handwerkszeug für Versöhnung, Heilung, Völkerverständigung und so für wahrhaftige, menschliche Entwicklung ist.

Schon lange, bevor die Bundesregierung erkannt hat, dass man Fluchtursachen bekämpfen muss, sind wir Missionare tätig und helfen mit, dass das Leben der Menschen in Afrika menschenwürdig und besser wird und es keine Fluchtbewegungen geben muss.

Jede Pfarrei steht heute vor der Frage: Wie lassen sich Gemeindemitglieder neu ansprechen? Wahrscheinlich beschäftigt sie die Frage: Was muss geschehen, damit wieder mehr Menschen in die Kirche kommen? Vielleicht aber müssen wir die Frage anders stellen: Wie gelangen das Wort und die Werte Gottes – nämlich die menschenfreundliche Liebe – zu den Menschen von heute? Das ist Mission, wie sie hier bei uns stattfinden muss. Sie ist unverhältnismäßig schwerer als die Mission Afrika, wo eine religiöse Grundmelodie zum Leben gehört.

Angebote für Gemeinden oder Gruppen

Die Erfahrungen aus meiner Zeit in Kenia und im Südsudan (auch als Bauingenieur) möchte ich teilen, um unter anderem von der Wirkung des Evangeliums und der Freude daran zu berichten. Berichten kann ich über folgende Themen:

  • Friedensarbeit im Bürgerkriegsland Südsudan
  • Wie ich in Afrika glauben lernte: Erfahrung mit „Kleinen Christlichen Gemeinschaften“ in Kenia
  • Erfahrungen mit der gestaltenden Kraft des Evangeliums in Ostafrika
  • Gute Nachrichten behält man nicht für sich selbst: Wo gelingt Mission und warum?
  • Freiwilliges soziales Jahr als „MissionarIn auf Zeit“, z.B. in Uganda

In den Beiträgen geht es mir nicht um Projekte, sondern mehr darum, dass unser Glaube eine Verantwortung für die ganze Welt und Menschheit einschließt. Sie können mir am besten sagen, ob und welche Angebote Sinn machen.

Wenn Sie Interesse haben, so kommen Sie einfach auf mich zu. Gerne gehe ich auch auf Ihre Themenvorschläge und -wünsche ein.
Br. Hans Eigner mccj
[Comboni-Missionare]