Um das Wesen und die Arbeit von Pater Bernhard Riegel mit einem Wort auszudrücken, fallen mir die Worte authentisch und glaubwürdig ein. Pater Bernhard war sehr empathisch und konnte gut zuhören. Mit anderen Worten: Er war überzeugend. Zu ihm konnte man Vertrauen haben und er gewann auch das Vertrauen von vielen. Sein Werdegang ist typisch für einen Comboni-Missionar seiner Zeit: Geboren 1942 in Bad Mergentheim und aufgewachsen in Bernsfelden als jüngstes von sieben Kindern einer Bauernfamilie. Als Bub von 11 Jahren kam er ins Ritterhaus in Bad Mergentheim. Nach der – heute – 10. Klasse wechselte er ins Josefinum in Ellwangen und machte dort 1962 Das Abitur.
Aus seinem Kurs gingen zehn Abiturienten ins Noviziat. Von diesen gelangten zwei zur Priesterweihe, er und Pater Otto Fuchs. Es war der Beginn der 68er-Jahre. Die Novizenmeister und Scholastikatsleiter, aber nicht nur diese, sondern überhaupt die Kirche in Deutschland, war auf die neue Zeit, die sich anbahnte, nicht vorbereitet. Die gängigen Regeln im Ordensleben, die Über- und Unterordnung in den Haugemeinschaften, auch in den Hörsälen der Unis und Hochschulen etc., wurden von der jungen Generation nicht mehr akzeptiert. Von da an traten jedes Jahr vielleicht einer oder zwei, in den meisten Jahren überhaupt keiner aus den Seminaren mehr in das Noviziat ein. Nicht viel anders war es in den meisten anderen Ordensgemeinschaften und in den Diözesen. Pater Bernhard absolvierte das Studium noch in klassischer Form in Bamberg und wurde dort 1969 zum Priester geweiht. Anschließend erhielt er Sendung nach Südafrika.
Dort ging die Apartheidpolitik der Regierung damals ihrem traurigen Höhepunkt zu. Viele Schwarzafrikaner wurden von der „weißen“ Regierung zwangsweise in so genannte Homeland umgesiedelt. Diese Gewalt und die daraus resultierenden Spannungen erlebt Pater Bernhard hautnah mit. Aber auch im deutschsprachigen Raum war vieles in Bewegung. Die Seminare, bisher Hauptquelle von Priesterberufen, wurden immer mehr in Frage gestellt, Noviziate und Scholastikate waren im Umbruch, besser gesagt: in einer Krise. Auf der anderen Seite weckte die nahende Wiedervereinigung große Erwartungen und ermutigte zu radikaleren Schritten. So ging die Provinzleitung nach der Wiedervereinigung daran, den zahlreichen jungen Mitbrüdern, die in den Seminaren tätig waren, Gelegenheit zu einem Einsatz in Übersee zu geben und sie durch Mitbrüder von dort zu ersetzen. Unter diesen war Pater Bernhard. Zusammen mit Pater Josef Altenburger, der aus Uganda geholt wurde, sollte er Erzieher im Josefinum werden. Das war 1980. Beide merkten aber bald, dass dies keine Zukunft haben konnte, dass die Zeit eine andere geworden war. Sie konnten die damalige Provinzleitung überzeugen.
Dabei half der Umstand, dass damals in Josefstal von Bruder Bruno Haspinger eine neue, vielversprechende Jugendpastoral, die sogenannte KIM-Bewegung, in die Wege geleitet worden war. Die Provinzleitung entschloss sich also 1981, das älteste und traditionsreichste Seminar, das Josefinum, zu schließen. Pater Bernhard arbeitete fortan mehrere Jahre bis 1989 als KIM-Seelsorger und später auch in der Cursillo-Bewegung und in der Vorbereitung der so genannten Missionare auf Zeit (MAZ). Auch wenn sich nicht alle Hoffnungen, was Berufungen zum Ordensberuf betrifft, erfüllten, war es für Pater Bernhard sicher eine sehr fruchtbare Zeit. Vielen der damals Jugendlichen, die zu den Gruppentreffen kamen, ist er ein geistlicher Begleiter geworden, selbst wenn er das nicht ausdrücklich so genannt hat.
In all den Jahren ist er auch mit Südafrika in Kontakt geblieben und so war er dankbar, dass er 1989 wieder dorthin zurückkehren konnte. Auch dort hatte inzwischen nach der Wiedervereinigung eine neue Zeit begonnen. Es waren nicht nur Mitbrüder von den bisher getrennten italienischen Comboni-Missionaren in das langjährige Arbeitsgebiet der Deutschsprachigen hinzugekommen, sondern auch südafrikanische Priester und Angehörige anderer Missionsorden.
So gab es auch einen Austausch an Personal mit den irischen Franziskaner-Missionaren in der Transkei beim Volk der Xhosa, aus dem auch Nelson Mandela stammt. Pater Bernhard war einer der ersten, der dazu bereit war, obwohl er dazu eine neue Sprache lernen musste. So ging er 1989 nach Mount Frere und vier Jahre später nach Mount Ayliff. Dort kümmerte er sich auch um geistig behinderte Kinder und deren Mütter, die dort anfangs noch in einem einfachen Lehmhaus untergebracht waren. Sogar der inzwischen emeritierte Bischof William Slattery kam dorthin, um die Aufmerksamkeit der Regierung auf diese arme Gegend zu lenken. Heute gibt es zwei Institutionen namens „Nolitha“ in der Nähe von Mount Ayliff. Sie sind das Ergebnis der Arbeit von Pater Bernhard mit armen Frauen vor Ort, die er in jeder Hinsicht ermutigte und unterstützte.
Eine katholische AIDS-Beraterin von dort schrieb, als sie die Todesnachricht empfing: „Er war wie ein Vater. Ich erinnere mich daran, wie gerne er unsere Dorfgemeinden und meine Nachbarn besuchte. Er saß mit den Männern im Hof zusammen, trank Umgqusho, das afrikanische Bier.“ Dabei gewann er auch das Vertrauen der Mitbrüder, die ihn zum Mitglied des Provinzrats und von 1999 bis 2002 zum Provinzoberen wählten. Als die Generalleitung 2002 in Pietermaritzburg bei Durban ein Scholastikat eröffnete und dazu eine Pfarrei übernahm, wurde wieder Pater Bernhard dorthin gerufen.
2009 stand wieder ein Wechsel in die Heimat an. Er wurde Oberer der größten Hausgemeinschaft der DSP, in Ellwangen, und bald auch Mitglied der Provinzleitung. Nach Ablauf dieser Zeit und des Mandats im Provinzrat kehrte er 2019, kurz vor seinem Goldenen Priesterjubiläum noch einmal nach Südafrika zurück und löste Pater Konrad Nefzger als Leiter des Bildungszentrums Maria Trost und Pfarrer in Mashishing, früher Lydenburg, ab.
An dieser Stelle sei Pater Jude Burgers, der Provinzial der Comboni-Missionare in Südafrika zitiert: „Pater Bernhard war für mich wie ein Vater. Er nahm mich in das Institut auf, als ich nach meinem Dienst als Diözesanpriester eintrat. Als ich ihn einlud, nach Südafrika zurückzukehren, drückte er seine Freude in der ihm eigenen bescheidenen Art aus. Er sagte: ‚Ich hätte nie darum gebeten, nach Südafrika zurückzukehren, aber da Sie mich darum gebeten haben, bin ich sehr froh, zurückzukehren‘. Pater Bernhard genoss das Vertrauen der Mitbrüder in Südafrika. Er wurde in den Provinzrat gewählt und dann zum Vizeprovinzial ernannt. Er sprach mit ruhiger Würde und Weisheit und zeigte seine tiefe Liebe zu den Menschen und zu den Mitbrüdern durch seine Freundlichkeit und seine Fähigkeit zuzuhören. In all den Jahren, in denen Pater Bernhard in Südafrika arbeitete, war er für seine Großzügigkeit, seine harte Arbeit, Fairness gegenüber allen und seine tiefen spirituellen Werte bekannt.“
Es wurde ihm nur noch eine kurze Zeit geschenkt. Eine akute Leukämie zwang ihn schon nach kaum zwei Jahren zur erneuten Rückkehr. Früh ahnte er und bald wusste er, dass sein irdisches Leben zu Ende gehen würde. Er nahm es voll gläubigem Gottvertrauen an. Die letzten Tage verbrachte er im Hospiz St. Anna in unmittelbarer Nähe des Missionshauses. Er starb am 7. Oktober 2021, drei Tage vor Beginn der jährlichen Provinzversammlung in Ellwangen, zu der auch Pater General Tesfaye Tadesse kam. Am letzten Tag des Treffens feierte dieser zusammen mit fast allen Mitbrüdern der Provinz das Requiem und die Beerdigung.
P. Reinhold Baumann