Die Evangelienstelle dieses Sonntags, eine Fortsetzung der Seligpreisungen, versammelt einige kurze Aussagen Jesu in Form von Bildern und gegensätzlichen Figuren: zwei Blinde, Jünger und Meister, du und dein Bruder, Balken und Splitter, guter Baum und schlechter Baum, gute Frucht und schlechte Frucht, Dornen und Disteln, Feigen und Trauben, gutes Herz und schlechtes Herz, Gut und Böse... [...]
Stelle einen Wächter an die Tür deines Herzens!
„Der gute Mensch bringt das Gute aus dem Schatz seines Herzens hervor.“
Lukas 6,39-45
Die Evangelienstelle dieses Sonntags, eine Fortsetzung der Seligpreisungen, versammelt einige kurze Aussagen Jesu in Form von Bildern und gegensätzlichen Figuren: zwei Blinde, Jünger und Meister, du und dein Bruder, Balken und Splitter, guter Baum und schlechter Baum, gute Frucht und schlechte Frucht, Dornen und Disteln, Feigen und Trauben, gutes Herz und schlechtes Herz, Gut und Böse...
Diese Worte Jesu scheinen zwar auf den ersten Blick keinen logischen Zusammenhang zu haben, doch sie sind durch eine Art Gedächtnisfaden miteinander verbunden: blind, Auge, Balken, Baum, Frucht... Ihre Bedeutung bezieht sich jedoch eindeutig auf das Leben des Gläubigen in der Gemeinschaft.
Im Matthäusevangelium richten sich diese Aussagen gegen die Schriftgelehrten und Pharisäer; der Evangelist Lukas hingegen, der für griechischsprachige Gemeinden schreibt, aktualisiert sie und richtet sie insbesondere an deren Verantwortliche.
Diese Aussagen lassen sich in drei Abschnitte gliedern:
1. Ein Blinder, der einen anderen Blinden führt (Verse 39-40)
"Kann etwa ein Blinder einen anderen Blinden führen? Werden nicht beide in eine Grube fallen?"
Ein Blinder, der vorgibt zu sehen, der sich seiner eigenen Grenzen nicht bewusst ist und dennoch andere führen will, ist keine seltene Situation – und sie stellt eine echte Gefahr für jede Gruppe oder Gemeinschaft dar. Diese Szene wird in der Erzählung vom blindgeborenen Mann im neunten Kapitel des Johannesevangeliums deutlich, das mit diesen Worten Jesu an die Pharisäer endet: "Wäret ihr blind, so hättet ihr keine Sünde; aber weil ihr sagt: ‚Wir sehen‘, bleibt eure Sünde“ (Joh 9,41).
Ein christlicher Leiter (und in gewisser Weise sind wir alle dazu berufen, jemanden zu führen!) muss sich bewusst sein, dass auch er selbst Führung und Erleuchtung braucht und stets ein Jünger des einen wahren Meisters bleiben muss.
2. Der Balken und der Splitter (Verse 41-42)
"Warum siehst du den Splitter im Auge deines Bruders, aber den Balken in deinem eigenen Auge bemerkst du nicht?"
Dieses Bild ist sehr eindringlich und bedarf keiner Erklärung. Wir alle neigen dazu, unsere eigenen Fehler zu verharmlosen und die der anderen zu übertreiben. Schnell laufen wir Gefahr, mit zweierlei Maß zu messen.
"Was wir bei anderen als ‚Balken‘ sehen, empfinden wir bei uns selbst als ‚Splitter‘; was wir bei anderen verurteilen, entschuldigen wir bei uns selbst“ (Enzo Bianchi).
Das bedeutet jedoch nicht, dass wir auf brüderliche Zurechtweisung verzichten sollten; vielmehr muss sie mit Liebe geschehen, ohne die Person zu verurteilen. Wenn eine Autorität korrigieren muss, dann sollte sie dies mit der Glaubwürdigkeit ihres eigenen Lebenszeugnisses tun.
3. Der Baum und seine Früchte (Verse 43-45)
"Es gibt keinen guten Baum, der schlechte Früchte trägt, und keinen schlechten Baum, der gute Früchte trägt."
Hier gibt uns Jesus ein Kriterium zur Unterscheidung: Der Baum wird an seinen Früchten erkannt. Und aus der Metapher des Baumes leitet Jesus eine tiefere Wahrheit über das menschliche Herz ab:
"Der gute Mensch bringt das Gute aus dem Schatz seines Herzens hervor; der böse Mensch bringt das Böse aus seinem bösen Schatz hervor."
Betrachten wir also das Herz, das möglicherweise der Schlüssel zum Verständnis dieser gesamten Evangelienstelle ist.
Denkanstöße
Der Mensch ist sein Herz
Unser Herz ist der Schmelztiegel unseres Lebens. Gedanken, Wünsche, Gefühle, Emotionen, Worte, Gesten, Taten – all das fließt dort zusammen und prägt unser Dasein. „Der Mensch ist sein Herz“, sagte der heilige Augustinus. Deshalb sagt Jesus: "Der gute Mensch bringt das Gute aus dem Schatz seines Herzens hervor, und der böse Mensch bringt das Böse aus seinem bösen Schatz hervor."
Und doch scheinen nur wenige Menschen wirklich danach zu streben, ihr eigenes Herz zu kennen. Oft leben wir außerhalb von uns selbst, als würden wir vor unserem eigenen Inneren fliehen. Vielleicht, weil wir uns in unserem Innersten nicht wohlfühlen. Momente der Stille und Einsamkeit machen uns unruhig. Es scheint, als würden wir uns selbst davonlaufen, und mit der Zeit wird unser Herz zu einem fremden Ort, nicht mehr zu unserem Zuhause, unserer Heimat.
Das Herz wieder in Besitz nehmen
Wenn wir unser Leben verändern und es schöner machen wollen, müssen wir beim Herzen beginnen. Der erste Schritt ist, es wieder in Besitz zu nehmen. Es erfordert Mut, in uns selbst zurückzukehren, all den unnötigen Ballast zu entfernen, der unser Herz überfüllt, und Ordnung zu schaffen, diejenigen zu entfernen, die sich dort unbefugt eingenistet haben, eine Tür vor das Herz zu setzen und einen Wächter aufzustellen, der über das wacht, was hinein- und hinausgeht.
Hesychios vom Sinai, ein christlicher Mönch und Theologe des 7. Jahrhunderts, schrieb:
„Die Nüchternheit ist ein unbeweglicher und beständiger Wächter des Geistes, der an der Tür des Herzens steht, um sorgfältig die Gedanken zu erkennen, die sich präsentieren, ihre Absichten zu hören, die Manöver dieser tödlichen Feinde zu durchschauen und das dämonische Siegel zu entlarven, das durch Fantasien das Gemüt verwirren will. Diese Übung, mutig durchgeführt, wird uns, wenn wir es wollen, eine sehr feine Erfahrung des geistlichen Kampfes verschaffen“ (zitiert von P. Gaetano Piccolo).
Anstelle von Nüchternheit könnten wir auch von Unterscheidung sprechen, die wie ein Sieb funktioniert (siehe die erste Lesung). Es geht darum, eine ständige Aufmerksamkeit für das zu entwickeln, was in unserem Herzen geschieht, stets bei uns selbst gegenwärtig zu sein – eine Übung, die uns bewusst macht, welche Gedanken, Absichten, Emotionen und Wünsche in uns lebendig sind.
Um uns auf diesem Weg der Bewusstwerdung zu unterstützen, wäre es hilfreich, sich täglich für ein kurzes Gewissenserforschen oder zumindest wöchentlich für eine ausführlichere Lebensbetrachtung Zeit zu nehmen. Das wäre eine gute Übung für die kommende Fastenzeit!
Es ist kein einfacher Vorschlag, aber auch kein unmöglicher. Diese Übung erfordert Zeit, Ausdauer und vor allem Mut. Denn oft werden wir – manchmal schmerzhaft – entdecken, dass sich neben vielen guten Dingen auch Kleinlichkeit, Doppelzüngigkeit und Mittelmäßigkeit in unserem Herzen verbergen. Und doch ist dies der einzige Weg, wirklich frei zu werden und in der Wahrheit des Evangeliums zu leben.