Freitag 8. März 2019
„Ich wurde ersucht, einen Artikel über die Wiedervereinigung der beiden Institute - FSCJ und MFSC – zu der einen Kongregation der Comboni-Missionare zu schreiben, und einige nützliche Überlegungen zum Jahresthema 2019 über die kulturelle Vielfalt anzufügen. Ich beschränke mich auf einige kurze Beobachtungen aus meiner persönlichen Erfahrung“, sagt P. Alois Weiss, mccj. Auf dem Foto: die Umarmung der beiden Generaloberen, Pater Tarcisio Agostoni (links) und Pater Georg Klose.
Ich möchte mit der Beschreibung eines Großplakats beginnen, das ich am 19. Januar in unserer Pfarrkirche von Lima-Chorrillos, anlässlich der Diakonatsweihe des Scholastikers Alessio Geraci durch unseren Mitbruder Bischof Luis Alberto Barrera Pacheco von Tarma, betrachtet habe. Im oberen Feld des Plakats konnte man die beiden ehemaligen Generaloberen P. Tarcisio Agostoni und P. Georg Klose sehen, wie sie sich am Tag der Wiedervereinigung, am Herz-Jesu Fest des 22. Juni 1979, herzlich umarmten. Im Mittelfeld wies ein Bild auf die 80jährige Präsenz der Comboni-Missionare in Peru und Lateinamerika hin. Das untere Feld zeigte unseren Gründer den Hl. Daniel Comboni und seine Worte: "Wenn ich tausend Leben hätte, würde ich sie alle für die Mission hingeben".
Die drei Szenen lassen sich nicht ohne die bedeutungsvolle Umarmung erklären, die die Wiedervereinigung und Versöhnung nach 56 Jahren Trennung besiegelte. Ohne Wiedervereinigung hätten wir nicht einmal das 80jährige Bestehen der peruanischen Provinz feiern können, die sich bis heute einer erfrischenden Vitalität erfreut, da die kulturelle Vielfalt bereits eine gemeinsame Erfahrung geworden ist.
An der Provinzversammlung im Januar 2019 nahmen Comboni-Missionare aus 13 Ländern von vier Kontinenten teil, um gemeinsam über das Thema "Sie verständigten sich mit der Sprache der Liebe" zu reflektieren, wobei das Pfingstwunder als Leitbild diente. Ohne Wiedervereinigung hätten wir die Seligsprechung von Comboni (1996) und seine Heiligsprechung (2003) nicht erlebt, da für die Seligsprechung eines Gründers bekanntlich die Erneuerung seiner Gründung erforderlich ist.
Strukturelle Erneuerung
In unserer Kongregation hat das Generalkapitel 1979 eine strukturelle Erneuerung gebracht - vor genau 40 Jahren – an dem die Kapitulare der beiden bis dahin getrennten Kongregationen teilgenommen hatten. Es wurde eine neue "Lebensform", die Statuten der neuen Kongregation, ausgearbeitet und nach langer und tiefgründiger Entscheidungsfindung ein neuer Name gewählt, wie es im „Brief über den neuen Namen der Kongregation“ heißt, der der Lebensform vom 29. Juli 1979 beigefügt wurde.
Es gibt natürlich Comboni-Missionare, die diesen Übergang zur neuen Kongregation kaum wahrgenommen haben, weil sie zur jüngeren Generation gehören oder aus anderen Gründen. Für die Mehrheit erfolgte der Übergang automatisch. Jedoch für die in Peru und Südafrika tätigen Missionare war die Wiedervereinigung ein einschneidendes Ereignis. Beide Gruppen wurden zu internationalen Provinzen erhoben, mit wachsender Erfahrung in der kulturellen Vielfalt. In beiden Missionsgebieten bestand die große Mehrheit aus deutschsprachigen Missionaren. Nun aber kamen Missionare anderer Sprachgruppen, aus anderen Ländern und Kontinenten hinzu.
Positive Erfahrungen in Spanien
Der Autor dieser Zeilen ist mit seinen 78 Jahren der jüngste aus der DSP stammende Comboni-Missionar in Peru. Als ich 1984 die Leitung der Provinz übernehmen musste, war das Zusammenleben nicht so friedlich und auch die Gründe nicht so klar ersichtlich, warum nun der Missionarischen Bewusstseinsbildung, der Berufungspastoral und der Ausbildung so große Bedeutung beigemessen wurde. Man meinte: Wir sind gekommen, das Evangelium zu verkünden, und nicht um uns Gedanken über die Zukunft zu machen. Sind wir eines Tages alt, ziehen wir uns eben zurück, und unser Dienst in diesem Land wird zu Ende sein. Mich würde es also als jüngsten deutschen Comboni-Missionar treffen, in unserem geliebten Peru das Licht auszumachen. Ich war auch der letzte Deutsche, der 1980 Spanien verlassen hatte. Ich war glücklich und zufrieden, weil ich mich von einer blühenden Provinz verabschieden durfte.
Spanien erlebte den Wiedervereinigungsprozess als sehr wichtiger Protagonist. In den fünfziger Jahren - ohne voneinander zu wissen - kamen die italienischen und die deutschen Comboni-Missionare in Spanien an, um eine Niederlassung zu gründen. Die ersten begannen in San Sebastián (1954) und gründeten in kurzer Zeit weitere Häuser in Corella (Navarra), Madrid (1958), Barcelona, Valencia/Moncada, Granada, Santiago. Die Deutschen hatten viel weniger Personal zur Verfügung und beschränkten sich auf die Provinz Palencia mit den Gründungen eines Knabenseminars in Saldaña und mit dem Kauf einer großen Landwirtschaft am Stadtrand von Palencia 1960.
Sicher würden sich die beiden Gruppen früher oder später begegnen, oder, wer weiß, vielleicht aufeinanderstoßen. Die Gelegenheit für eine erste Begegnung ergab sich bald. In dem nur 30 km von Saldaña entfernten Dorf Sahagún de Campos wurde dem Oberen von Madrid P. Enrico Farè ein Haus angeboten. Dieser hielt es für angebracht, vor einer Entscheidung den Hausoberen von Saldaña P. Franz Xaver Kieferle zu besuchen, um das Angebot mit ihm zu besprechen. Gemeinsam besuchten sie das Haus, eine alte und für unsere Zwecke nutzlose Burgruine. Die beiden kehrten glücklich zurück voll Freude, sich unter so eigenartigen und von der Vorsehung geleiteten Umständen getroffen zu haben. P. Faré und P. Kieferle waren offenherzige Menschen und zwischen den beiden entwickelte sich eine herzliche Freundschaft. Von jenem Augenblick an waren die deutschen Comboni-Missionare stets willkommene Gäste im Haus der italienischen Mitbrüder in Madrid.
Sowohl die italienischen als auch die deutschen Mitbrüder eröffneten Seminare für junge Spanier. Ende der sechziger Jahre beschlossen dann die zwei Gruppen, mit dem Segen aus Rom und Ellwangen, die beiden Noviziate und Scholastikate in Moncada-Valencia zusammenzulegen. Spanien entwickelte sich auf diese Weise zu einem privilegierten Ort, wo sich die beiden Kongregationen begegnen konnten. Die jungen spanischen Mitbrüder wollten nicht verstehen, geschweige denn akzeptieren, dass es in ihrem Land zweierlei Comboni-Missionare gab. Das Thema der Wiedervereinigung wurde zu einem wichtigen Thema bei den Generalkapiteln der beiden Kongregationen (1969 und 1973). 1975 trafen sich die beiden Generalkapitel in Ellwangen/Deutschland und am 2. September wurde beschlossen, bei einem gemeinsamen Generalkapitel 1979 die Wiedervereinigung zu vollziehen.
Kleinere Schritte der Zusammenarbeit zwischen den beiden getrennten Kongregationen wurden auch in Peru (1966), in Ecuador, in Südafrika und in Uganda getan. Am 22. Juni 1979, am Fest des Heiligsten Herzens Jesu, besiegelte Kardinal Agnelo Rossi, Präfekt der Kongregation für die Evangelisierung der Völker und Vertreter des Papstes, im Generalat von Rom die Wiedervereinigung. Auf dem langen Weg dorthin gab es jedoch auch Widerstände und nicht wenige Hindernisse mussten aus dem Weg geräumt werden, bevor das große Ziel erreicht wurde. Auf beiden Seiten gab es Mitbrüder, die die Trennung persönlich miterlebt hatten, und mit der Wiedervereinigung nicht ohne weiteres einverstanden waren. Sie hegten Zweifel am Gelingen dieses Neuanfangs.
Ein außerordentlicher Zeuge: P. Andrés Riedl
Ich hatte das Glück – ja ich betrachte es als eine Gnade – im Knabenseminar von Saldaña drei Jahre mit P. Andrés Riedl zusammengelebt zu haben, einem der drei Pioniere der Gründung der Mission von Pozuzo im Jahr 1938. Er war 20 Jahre alt und befand sich noch beim Studium in Brixen, als 1923 die Trennung vollzogen wurde. Als er davon erfuhr, fragte er sich traurig: "Was haben denn die da oben gemacht?“ das heißt, die Vorgesetzten. Tatsächlich waren viele der deutschsprachigen Mitglieder sowohl in Europa als auch in Afrika mit der Trennung nicht einverstanden.
P. Andrés betrachtete die Trennung immer als ein Unglück, das in einer Kongregation, die sich Söhne des Heiligsten Herzens Jesu nannte, niemals hätte geschehen dürfen. Für ihn war die Trennung eine Wunde, die so schnell wie möglich behandelt werden sollte. Als Priester, so erzählte er mir öfters, habe er bei jeder heiligen Messe den Kelch mit dem Blut Christi erhoben und um die Wiedervereinigung gebetet. Es war kein Zufall, dass er sich 1956 mit Erlaubnis seiner Vorgesetzten entschloss, sich nach Spanien zu begeben, um eine Neugründung vorzunehmen mit dem Ziel, Priester für die religiös verlassenen Gebiete in den Anden von Huánuco zu gewinnen. Die Gründung war zweifellos von der Vorsehung gewollt, damit sich die italienischen und deutschen Comboni-Missionare treffen konnten, um konkrete und brüderliche Beziehungen anzuknüpfen und dynamische Befürworter der Wiedervereinigung von 1979 zu werden.
Die Wiedervereinigung war sicher ein kostbares Geschenk des Heiligen Geistes an unsere Kongregation, eine eher seltene Gabe, wenn man einen Blick auf die Kirchengeschichte wirft, wo Trennungen von Orden/Kongregationen zahlreicher sind als Wiedervereinigungen. Anlässlich der 75jährigen Präsenz von Comboni-Missionaren in Peru haben wir die frohe und brüderliche Zusammenarbeit von Missionaren aus mehr als zehn Nationen aus vier Kontinenten gefeiert.
P. Andrés Riedl betonte oft und aus Überzeugung: "Wenn wir uns wieder zusammenschließen, wird uns das Herz Jesu reichlich segnen". Aber so wie die Geschichte gelebt worden war, erschien die Wiedervereinigung nahezu als unmöglich, und einige Situationen hatten P. Andrés möglicherweise an dem positiven Ausgang dieses Prozesses zweifeln lassen. Wie Mose vom Berg Nebo aus das Gelobte Land betrachten durfte, so sah P. Andrés die Wiedervereinigung näher rücken, konnte sie aber nicht persönlich erleben. Er verschied am 9. Januar 1974, eineinhalb Jahre vor dem Beschluss von Ellwangen im September 1975.
Viele Comboni-Missionare betrachteten die Übernahme von Missionsaufgaben in Amerika als eine Art Verrat am afrikanischen Charisma des Gründers, wie einige Mitbrüder bei den Kapiteln von 1985 und 1991 hervorhoben. Heute wissen wir, dass diese Gründungen (in Amerika und auch in Asien) eine Präsenz auf vier Kontinenten gewährleisten und garantieren, dass das Comboni Charisma nie in Vergessenheit geraten wird. Papst Franziskus sagte zu den Teilnehmern am Generalkapitel 2015, dass unser Name, Comboni-Missionare vom Herzen Jesu, auch unsere Identität definiert: Wir sind Missionare mit dem Charisma von Comboni, das man nur durch die Betrachtung vom geöffneten Herzen Jesu des Guten Hirten verstehen kann. Eine Gründung ist genauso stark und vital wie ihre Wurzeln. In unserem Fall haben sich die Wurzeln durch die Wiedervereinigung der beiden Kongregationen, mit einem neuen Namen und einer neuen Identität, wieder erholt.
Wenn ich mein persönliches und familiäres Leben betrachte, kann ich für die Barmherzigkeit und die reichen Segnungen des Herzens Jesu Zeugnis ablegen. Sicher können es auch die anderen Mitbrüder tun.
In seinem Missionsplan wollte Comboni alle Institute und Institutionen zusammenbringen, um "Afrika mit den Afrikanern zu retten" und Ausbildungsstätten auf dem ganzen Kontinent zu errichten. In einer Welt, die riesige Schritte in Richtung Globalisierung tut, mit Millionen von Migranten überall, müssen wir uns als Missionsfamilie der großen Herausforderung der kulturellen Vielfalt stellen, und versuchen, wirksame Netzwerke aufzubauen, um konstruktive Kontakte und Beziehungen zu anderen Völkern und Kulturen zu knüpfen, und zwar auf der Grundlage gegenseitiger Achtung und Wertschätzung, von Herzensgüte und evangelischer Wahrheit. Das sind notwendige Voraussetzungen für den Aufbau einer neuen Menschheit.
P. Alois Weiss, mccj
Palca - Tarma (Peru)
Übersetzung P. Alois Eder, mccj, Ellwangen