Mittwoch, 27. Oktober 2021
P. Bernhard Riegel, ein deutscher Comboni-Missionar, ist am 7. Oktober 2021 in Ellwangen/Deutschland gestorben. Er war 79 Jahre alt. Wenige Wochen vor seinem Tod sagte er zu P. Günther Hofmann: „Günther, ich bin sehr dankbar für die vielen Jahre in Südafrika und auch hier in Ellwangen. Nun ist die Zeit gekommen, wo ich loslassen muss, und annehme was kommen mag“. [Comboni-Missionare]
Zum Tod von Pater Bernhard Riegel
Um das Wesen und die Arbeit von Pater Bernhard Riegel mit einem Wort auszudrücken, fallen mir die Worte authentisch und glaubwürdig ein. Pater Bernhard war sehr empathisch und konnte gut zuhören. Mit anderen Worten: Er war überzeugend. Zu ihm konnte man Vertrauen haben und er gewann auch das Vertrauen von vielen. Sein Werdegang ist typisch für einen Comboni-Missionar seiner Zeit: Geboren 1942 in Bad Mergentheim und aufgewachsen in Bernsfelden als jüngstes von sieben Kindern einer Bauernfamilie. Als Bub von 11 Jahren kam er ins Ritterhaus in Bad Mergentheim. Nach der – heute – 10. Klasse wechselte er ins Josefinum in Ellwangen und machte dort 1962 Das Abitur.
Aus seinem Kurs gingen zehn Abiturienten ins Noviziat. Von diesen gelangten zwei zur Priesterweihe, er und Pater Otto Fuchs. Es war der Beginn der 68er-Jahre. Die Novizenmeister und Scholastikatsleiter, aber nicht nur diese, sondern überhaupt die Kirche in Deutschland, war auf die neue Zeit, die sich anbahnte, nicht vorbereitet. Die gängigen Regeln im Ordensleben, die Über- und Unterordnung in den Haugemeinschaften, auch in den Hörsälen der Unis und Hochschulen etc., wurden von der jungen Generation nicht mehr akzeptiert. Von da an traten jedes Jahr vielleicht einer oder zwei, in den meisten Jahren überhaupt keiner aus den Seminaren mehr in das Noviziat ein. Nicht viel anders war es in den meisten anderen Ordensgemeinschaften und in den Diözesen. Pater Bernhard absolvierte das Studium noch in klassischer Form in Bamberg und wurde dort 1969 zum Priester geweiht. Anschließend erhielt er Sendung nach Südafrika.
Dort ging die Apartheidpolitik der Regierung damals ihrem traurigen Höhepunkt zu. Viele Schwarzafrikaner wurden von der „weißen“ Regierung zwangsweise in so genannte Homeland umgesiedelt. Diese Gewalt und die daraus resultierenden Spannungen erlebt Pater Bernhard hautnah mit. Aber auch im deutschsprachigen Raum war vieles in Bewegung. Die Seminare, bisher Hauptquelle von Priesterberufen, wurden immer mehr in Frage gestellt, Noviziate und Scholastikate waren im Umbruch, besser gesagt: in einer Krise. Auf der anderen Seite weckte die nahende Wiedervereinigung große Erwartungen und ermutigte zu radikaleren Schritten. So ging die Provinzleitung nach der Wiedervereinigung daran, den zahlreichen jungen Mitbrüdern, die in den Seminaren tätig waren, Gelegenheit zu einem Einsatz in Übersee zu geben und sie durch Mitbrüder von dort zu ersetzen. Unter diesen war Pater Bernhard. Zusammen mit Pater Josef Altenburger, der aus Uganda geholt wurde, sollte er Erzieher im Josefinum werden. Das war 1980. Beide merkten aber bald, dass dies keine Zukunft haben konnte, dass die Zeit eine andere geworden war. Sie konnten die damalige Provinzleitung überzeugen.
Dabei half der Umstand, dass damals in Josefstal von Bruder Bruno Haspinger eine neue, vielversprechende Jugendpastoral, die sogenannte KIM-Bewegung, in die Wege geleitet worden war. Die Provinzleitung entschloss sich also 1981, das älteste und traditionsreichste Seminar, das Josefinum, zu schließen. Pater Bernhard arbeitete fortan mehrere Jahre bis 1989 als KIM-Seelsorger und später auch in der Cursillo-Bewegung und in der Vorbereitung der so genannten Missionare auf Zeit (MAZ). Auch wenn sich nicht alle Hoffnungen, was Berufungen zum Ordensberuf betrifft, erfüllten, war es für Pater Bernhard sicher eine sehr fruchtbare Zeit. Vielen der damals Jugendlichen, die zu den Gruppentreffen kamen, ist er ein geistlicher Begleiter geworden, selbst wenn er das nicht ausdrücklich so genannt hat.
In all den Jahren ist er auch mit Südafrika in Kontakt geblieben und so war er dankbar, dass er 1989 wieder dorthin zurückkehren konnte. Auch dort hatte inzwischen nach der Wiedervereinigung eine neue Zeit begonnen. Es waren nicht nur Mitbrüder von den bisher getrennten italienischen Comboni-Missionaren in das langjährige Arbeitsgebiet der Deutschsprachigen hinzugekommen, sondern auch südafrikanische Priester und Angehörige anderer Missionsorden.
So gab es auch einen Austausch an Personal mit den irischen Franziskaner-Missionaren in der Transkei beim Volk der Xhosa, aus dem auch Nelson Mandela stammt. Pater Bernhard war einer der ersten, der dazu bereit war, obwohl er dazu eine neue Sprache lernen musste. So ging er 1989 nach Mount Frere und vier Jahre später nach Mount Ayliff. Dort kümmerte er sich auch um geistig behinderte Kinder und deren Mütter, die dort anfangs noch in einem einfachen Lehmhaus untergebracht waren. Sogar der inzwischen emeritierte Bischof William Slattery kam dorthin, um die Aufmerksamkeit der Regierung auf diese arme Gegend zu lenken. Heute gibt es zwei Institutionen namens „Nolitha“ in der Nähe von Mount Ayliff. Sie sind das Ergebnis der Arbeit von Pater Bernhard mit armen Frauen vor Ort, die er in jeder Hinsicht ermutigte und unterstützte.
Eine katholische AIDS-Beraterin von dort schrieb, als sie die Todesnachricht empfing: „Er war wie ein Vater. Ich erinnere mich daran, wie gerne er unsere Dorfgemeinden und meine Nachbarn besuchte. Er saß mit den Männern im Hof zusammen, trank Umgqusho, das afrikanische Bier.“ Dabei gewann er auch das Vertrauen der Mitbrüder, die ihn zum Mitglied des Provinzrats und von 1999 bis 2002 zum Provinzoberen wählten. Als die Generalleitung 2002 in Pietermaritzburg bei Durban ein Scholastikat eröffnete und dazu eine Pfarrei übernahm, wurde wieder Pater Bernhard dorthin gerufen.
2009 stand wieder ein Wechsel in die Heimat an. Er wurde Oberer der größten Hausgemeinschaft der DSP, in Ellwangen, und bald auch Mitglied der Provinzleitung. Nach Ablauf dieser Zeit und des Mandats im Provinzrat kehrte er 2019, kurz vor seinem Goldenen Priesterjubiläum noch einmal nach Südafrika zurück und löste Pater Konrad Nefzger als Leiter des Bildungszentrums Maria Trost und Pfarrer in Mashishing, früher Lydenburg, ab.
An dieser Stelle sei Pater Jude Burgers, der Provinzial der Comboni-Missionare in Südafrika zitiert: „Pater Bernhard war für mich wie ein Vater. Er nahm mich in das Institut auf, als ich nach meinem Dienst als Diözesanpriester eintrat. Als ich ihn einlud, nach Südafrika zurückzukehren, drückte er seine Freude in der ihm eigenen bescheidenen Art aus. Er sagte: ‚Ich hätte nie darum gebeten, nach Südafrika zurückzukehren, aber da Sie mich darum gebeten haben, bin ich sehr froh, zurückzukehren‘. Pater Bernhard genoss das Vertrauen der Mitbrüder in Südafrika. Er wurde in den Provinzrat gewählt und dann zum Vizeprovinzial ernannt. Er sprach mit ruhiger Würde und Weisheit und zeigte seine tiefe Liebe zu den Menschen und zu den Mitbrüdern durch seine Freundlichkeit und seine Fähigkeit zuzuhören. In all den Jahren, in denen Pater Bernhard in Südafrika arbeitete, war er für seine Großzügigkeit, seine harte Arbeit, Fairness gegenüber allen und seine tiefen spirituellen Werte bekannt.“
Es wurde ihm nur noch eine kurze Zeit geschenkt. Eine akute Leukämie zwang ihn schon nach kaum zwei Jahren zur erneuten Rückkehr. Früh ahnte er und bald wusste er, dass sein irdisches Leben zu Ende gehen würde. Er nahm es voll gläubigem Gottvertrauen an. Die letzten Tage verbrachte er im Hospiz St. Anna in unmittelbarer Nähe des Missionshauses. Er starb am 7. Oktober 2021, drei Tage vor Beginn der jährlichen Provinzversammlung in Ellwangen, zu der auch Pater General Tesfaye Tadesse kam. Am letzten Tag des Treffens feierte dieser zusammen mit fast allen Mitbrüdern der Provinz das Requiem und die Beerdigung.
P. Reinhold Baumann
Hier veröffentlichen wir die Ansprache, die P. Günther bei der Beerdigung in Josefstal/Ellwangen am 14. Oktober gehalten hat:
Verehrte Trauergemeinde! Liebe Mitbrüder der Comboni Gemeinschaft,
verehrter Pater Tesfaye aus Rom!
Liebe Familie Riegel, alle Verwandten und Angehörigen!
Liebe Schwestern und Brüder!
Der Tod von P. Bernhard Riegel erfüllt uns mit Trauer. Wir sind betroffen und gerührt vom Verlust eines herzensguten Menschen, Seelsorgers und Mitbruders.
Bernhard war erfüllt von einem tiefen Gottvertrauen und bei unserer letzten Begegnung Anfang August 2021 sagte er zu mir: „Günther, ich bin sehr dankbar für die vielen Jahre in Südafrika und auch hier in Ellwangen. Nun ist die Zeit gekommen, wo ich loslassen muss, und annehme was kommen mag“.
Schauen wir auf das Leben von P. Bernhard. Für mich war er ein väterlicher Wegbegleiter meiner Berufung zum Comboni-Missionar, er war mein Mitbruder und ein treuer Freund, 1999-2002 sogar mein Provinzoberer in Südafrika.
Gestern Abend nach dem Rosenkranz sagte eine Anna-Schwester zu mir, dass sie kurz nach seinem Tod letzten Donnerstagabend im Hospiz bei ihm gewesen sei und als sie den Leichnam sah, den Eindruck hatte, er war so friedlich eingeschlafen wie ein Heiliger. Darüber mag man schmunzeln, aber es zeigt mir, er war ein liebenswürdiger und besonderer Mensch, der tief in seinem Glauben verwurzelt war.
Frau Faith Mtimkulu eine katholische AIDS Beraterin aus Mt Ayliff in Südafrika, die auch bei der Heiligsprechung Combonis in Rom dabei war, hat mir anlässlich der Todesnachricht geschrieben: „Father Günther! Ich glaube er war wie ein Vater für Dich. Ich erinnere mich daran, wie gerne er unsre Dorfgemeinden und meine Nachbarn besuchte. Er saß mit den Männern im Hof zusammen trank umgqusho, das afrikanische Bier. Wow. Wir werden ihn immer liebhaben.“
Und ein 42-jähriger südafrikanischer Priesterfreud, Fr. Zanemvula Puluwana aus Tabankulu im Pondoland, dessen Berufung Bernhard als Heimatpfarrer von Anfang an begleitete, u. der jetzt gerade mit uns im Gebet verbunden ist schrieb mir: „Fr. Bernhard war für mich ein großartiger Mensch zu allen Zeiten. Worte können nicht beschreiben welchen Beitrag er für sehr viele von uns geleistet hat. Ich danke ihm für alles.
Der Gemeindereferent und heutige Diakon, Ulrich Wiechers, war 1997 -1998 als MaZ bei Bernhard in Mount Ayliff im Einsatz, eine Region mit nur 4 % Katholiken. Er teilte mir das Bernhard damals einen sehr souveränen Stil hatte. Mit großer Würde und seiner herzlichen, wohlwollenden und zuhörenden Art ging er bei Beerdigungen mit seinem bunten Messgewand auch auf Gläubige anderer lokaler Freikirchen zu, die ihn nicht gekannt haben. Manche meinten, er sei der Katholische Bischof und Ulrich sein Sohn.
Nun aber mal der Reihe nach und etwas Biographisch geordnet:
Bernhard Riegel wurde am 20. August 1942 in Bad Mergentheim geboren und wuchs im fränkischen Bernsfelden als Jüngster von 6 Geschwistern auf. Ab 1953 besuchte er das Missionsseminar in Bad Mergentheim und anschließend das Josefinum in Ellwangen, wo er 1962 sein Abitur machte. Nach dem Noviziat in Mellatz und dem Theologiestudium in Bamberg legte er 1968 seine Ewigen Ordensgelübde ab und empfing 1969 in Bamberg die Priesterweihe. Seinem Wunsch entsprechend wurde er gleich in die Mission nach Südafrika gesandt.
Nach dem Erlernen der Sprachen Englisch und Zulu arbeitete er in den Pfarreien Bongani, Nelspruit und Burgersfort in der Diözese Lydenburg-Witbank. Es war die Zeit, als die Apartheitspolitik der Rassentrennung in Südafrika rigoros durchgesetzt wurde. Viele Menschen wurden von den Weißen zwangsweise in sogenannte Homelands umgesiedelt. Diese Gewalt und Spannung erlebte Bernhard hautnah und sie prägte seinen Einsatz für die Menschen.
1980 kehrte er nach Ellwangen ins Josefinum zurück und arbeitete dann in der Jugendarbeit in Josefstal, im Kreis Junger Missionare, in der Berufungspastoral und war für die Missionare auf Zeit verantwortlich. Auch in der Cursillo Bewegung für die Glaubensvertiefung war er tätig.
Ich persönlich lernte ihn 1984 im Peutinger Gymnasium kennen, als er uns im Religionsunterricht einen Bildvortrag über Südafrika hielt. Besonders die menschen-verachtende Apartheid hat er uns mit seinen Fotos erklärt und was sie als Missionare dagegen durch Schulen, Projekte und Kirchen zu tun versuchten.
1988 klopfte ich als interessierter Theologiestudent bei den Comboni Missionaren an und Bernhard hat mich für ein paar Tage nach Josefstal eingeladen zum mitleben, mitbeten und mitarbeiten. Er gab mir dabei für 3 Tage eine persönliche biblische Einführung in das was die missionarisch christliche Berufung ausmacht und wurde mein Begleiter bis er 1989 nach Südafrika zurückkehrte.
Diesmal ging er in eine andere Region nach Mt Frere und 1995 nach Mt Ayliff im Homeland Transkei, wo die Menschen des Nelson Mandela leben, die AmaXhosas. Als Mandela 1990 aus dem Gefängnis kam war immer noch viel Unruhe und Gewalt im Land, aber der politische Umbruch und das Ende der Apartheid kam immer näher bis zu den demokratischen Wahlen im April 1994. Mittlerweile wütete die Infektionskrankheit AIDS und viele junge Menschen starben nach kurzer Zeit an den Folgen. Häusliche Krankenpflege wurde angeboten, Kurse über Verhütung und angemessenes Beziehungsverhalten wurden für die Jugend abgehalten und dafür wurden viele einheimische Kräfte ausgebildet. Dazu wurde u.a. ein Gemeindesaal und Zentrum in Mt Ayliff errichtet mithilfe der Partnergemeinde St Maria in Aalen.
Die Mitbrüder in Südafrika hatten viel Vertrauen in Pater Bernhard und wählten in mehrmals in die Provinzleitung und von 1999-2002 sogar zum Provinzoberen.
So trat ich im Dezember 1998 als Neupriester gerade aus Deutschland kommend an seine Stelle in Mt Ayliff an. Bevor er nach Johannesburg ins Provinzialat wechselte, nahm er mich mit auf seine Abschiedstour durch die vielen Bergdörfer im Xhosaland und zu unsren Gemeinden und stellte mich dabei den Menschen vor, auch wenn ich noch nichts verstand von dieser lustigen Schnalzsprache isiXhosa.
Ab 2003-2009 war er als Pfarrer in Pietermaritzburg (Kwa Zulu Natal) beim Scholastikat für Theologiestudenten der Combonis.
Dann kam Bernhard 2009 wieder nach Deutschland zurück nach Ellwangen und wurde Rektor des hiesigen Missionshauses in der Rotenbacher Strasse 8. Er war ja auch ein bedächtiger und nachdenklicher Mensch und war bestrebt, die Einheit unter den Mitbrüdern zu fördern, die Gemeinschaft nach außen zu vertreten und eine Atmosphäre der Mitbrüderlichkeit zu erhalten. Der Freundes- und Unterstützerkreis „Werk des Erlösers und die Missionarische Bewusstseinsbildung waren große Anliegen von ihm für die er sich einsetzte
2019 kurz vor seinem 50-jährigen Priesterjubiläum ging er ein letztes Mal nach Südafrika zurück und wurde Pfarrer in Maria Trost in der Nähe der Stadt Maschisching, vormals Lydenburg. Schon Ende 2020 vertraute er mich am Telefon an, dass er an Blutkrebs erkrankt sein und bald zur Behandlung nach Deutschland kommen werde. Es hat noch einige Monate gedauert bis dort ein Nachfolger gefunden war: So kam er schwer krank nach Ellwangen zurück und nahm sein Schicksal gläubig an.