Montag, 30. November 2020
Pater Josef Altenburger besuchte im Frühjahr 2020 als MISSIO Direktor der Diözese Graz-Seckau den Norden Ugandas, wo er schon selbst im Einsatz war. MISSIO Österreich hat das Land dieses Jahr als Beispielland für die Weltkirche ausgewählt, anlässlich des Weltmissions-sonntags, der in Österreich dieses Jahr am 18. Oktober begangen wurde.
Die Mission in Uganda
Zusammen mit Herrn Ernst Zerche vom Welthaus, Pfarrer Wolfgang Pucher, dem Armenpfarrer von Graz und einer lieben Freundin, Frau Gudrun Marat, machte ich eine Reise durch drei Diözesen im Norden Ugandas. Dieser ist mit seinen sieben Diözesen „Comboni-Land“, da alle von uns Comboni-Missionaren gegründet wurden. Ich selbst habe meine erste missionarische Erfahrung beim Volk der Acholi gemacht (1975). Mühsam musste ich ihre Sprache lernen (ohne Sprachschule) und lernte ihre Kultur kennen.
Von Tertullian stammt das Wort „Das Blut der Märtyrer ist der Same für neue Christen“. Diese Worte sind eine Einladung, auf Uganda (Ostafrika) zu schauen, einen wichtigen Staat im Bereich der Großen Seen. Da sind wir im Herzen Afrikas, in einem Land, das zurecht die „Perle Afrikas“ genannt wird wegen seiner geo-graphischen Lage, seiner Naturschönheiten, seiner Vielfalt an verschiedenen Ethnien (kleinen Völker) und Glaubensrichtungen.
Gleich am Tag nach unserer Ankunft in Kampala machten wir einen Aus-flug nach Namugongo, dem großen Wallfahrtszentrum, zu den Märtyrern von Uganda. 22 junge Christen wurden dort hin-gerichtet. Nach Uganda kamen die ersten Afrika-missionare 1879. Über den Viktoriasee von Tansania her segelnd landeten sie am 17. Februar 1879 mit ihrem Boot in Entebbe, das an der Nordwestseite des Sees liegt. Nach einem anfänglich freundlichen Empfang und dem ersten Erfolg der Missions-arbeit, setzte unter König Mwanga eine Christenverfolgung ein, in der Karl Lwanga und 21 seiner Gefährten ermordet wurden. Mwanga verurteilte sie 1886 zum Tode, da die jungen Christen sich geweigert hatten, ihrem neuen Glauben abzuschwören. Unter den Märtyrern waren Katholiken und auch Anglikaner. Sie wurden bei lebendigem Leibe auf dem Hügel von Namugongo verbrannt. Heute steht dort eine Kathedrale. 1964 sind die Märtyrer von Papst Paul VI. heilig gesprochen worden. Die Märtyrer „hatten keine Furcht, Christus zu den anderen zu bringen, nicht einmal um den Preis ihres Lebens“, sagte Papst Franziskus bei seinem Besuch in Uganda im November 2015.
Unsere Reise führte uns nach Norden zuerst in die Diözesen Moroto und Kotido, ins Nomadengebiet der Karimojong. Von Kotido aus, wo wir bei Bischof Giuseppe Filippi so gastfreundlich aufgenommen wurden, machten wir noch einen Abstecher in den herrlichen, nicht sehr bekannten Nationalpark Kidepo. Tausende Tiere kann man dort beobachten. Es reichte leider nur zu einer Abend- und Morgensafari.
Auf unserer Weiterreise sind wir dann – nun schon in der Erzdiözese Gulu – durch einen Ort gefahren, der uns einlud, einen Stop einzulegen. Der Ort heißt Paimol. Eigentlich ganz unvermutet fuhren wir an einem schönen Heiligtum vorbei. In Paimol wird zwei weiteren Märtyrern gedacht, Daudi Okelo und Gildo Irwa.
Erster Kontakt mit den Missionaren
Am 11. Februar 1915, am Fest Unserer Lieben Frau von Lourdes, kamen die ersten Comboni-Missionare nach Uganda und gründeten in der Folge die Mission von Kitgum. Sie hatten eine klare Methode in ihrem Apostolat: Möglichst nahe bei den Menschen in ihren Dörfern zu sein. Dieses Verhalten von Missionaren war eine ganz neue Erfahrung für die Menschen. Sie lebten nämlich in ständiger Angst vor dem „weißen Mann“, weil dieser sie ausbeutete, weil sie zur Arbeit gezwungen wurden. Sie lebten in Angst vor den Elfenbeinhändlern und Sklavenjägern und in Angst vor den eigenen „Zauberern“ bzw. Medizinmännern und -frauen.
So diente der erste Kontakt dem Aufbau von Beziehungen und Freundschaften, einem vorsichtigen Heranführen zu den Grundgebeten und dem Rosenkranz. Eine Reihe von Jugendlichen folgten mit großem Interesse. Zwei junge Katechisten aus dem Volk der Acholi wurden eingereiht in eine große Zahl von jungen Christen, die ihren Glauben überzeugend lebten und ihn mit dem Tod bezahlen mussten: Daudi Okelo und Gildo Irwa. Sie sind ein Beispiel dafür, dass die vielen ethnischen Gruppen und die Menschen im Norden und Süden in diesem wunderbaren Land (über 30 Sprachen), zu einer einzigen Nation mit gleichen Rechten und Pflichten unter demselben Gott, dem Bringer der Einheit und des Friedens, zusammenwachsen können.
Als ich 1975 in die Mission nach Amuru kam, folgten wir immer noch dieser Methode. In zeitlichen Abständen von drei Monaten kam immer eine Gruppe aus der großen Pfarrei für einen Monat zum Unterricht ins Katechumenat auf die Missionsstation. Zusammen mit Sr. Rosalia, einer afrikanischen Schwester, war ich fürs Katechumenat zuständig. Der Tag war eingeteilt in. Gebet, Unterricht, Lesen und Schreiben lernen, Arbeit auf den Feldern, Freizeit. Das war der tägliche Rhythmus, wenn die Katechumenen auf der Mission waren.
Einen Monat dauerte der Aufenthalt, dann kam eine neue Gruppe. Das waren oft 50-60 Jugendliche, die täglich versorgt werden mussten. Durch das heutige Schul-system lässt sich natürlich so ein Rhythmus nicht mehr aufrecht er-halten und das Katechumenat wird anders gestaltet. Die Vorbereitung auf die Taufe dauerte zwei Jahre.
Missionsgeschichte und Märtyrer von Uganda
Es ist erst knapp 130 Jahre her, dass die Kirche in Uganda Fuß gefasst hat. 22 Märtyrer werden im Süden des Landes an drei Wallfahrtsstätten verehrt: in Namugongo, Munyonyo und Mithiana, sowie zwei weitere junge Christen in Paimol, im Norden des Landes. Daudi und Gildo gehörten der Ethnie der Acholi, einem Zwei-Millionen-Volk im Norden Ugandas, an. Die jungen Katechisten wurden als Missionare nach Paimol gesandt.
1916 brachte eine Hungersnot. Manchen lokalen Feinden und den Sklaven- und Elfenbeinhändlern passte die Anwesenheit der Katechisten nicht, denn sie sprachen gegen das unmenschliche Geschäft und das unmoralische Leben dieser Leute. Dazuhin verbreiteten die Zauberer, dass die neue Religion die Ursache all der Katastrophen sei, unter denen sie zu leiden hätten. Der Hass gegen die beiden Katechisten führte schließlich zu ihrer Hinrichtung am 18. Oktober 1918.
Der Weg ihres Zeugnisses scheint auf mysteriöse Weise dem Nil zu folgen, so ein bisschen meine Phantasie. Symbolisch von Namugongo, in der Nähe der Nilquellen, vermischt sich das Blut der Märtyrer mit den Wassern des Nil und fließt nordwärts, entlang des Acholilandes, der Heimat der zwei jungen Blutzeugen und fließt mit seinen heilbringenden Wassern durch die Länder, die dieser Fluss berührt, hinaus durch den Südsudan nach Norden bis er in Ägypten ins Mittelmeer mündet. So, wie die Wasser des Nils, kann das Evangelium nicht gestoppt werden auf seinem Weg.
Diese zwei jungen Männer sind ein Zeichen der Katholizität des Glaubens, der nicht aufzuhalten ist, bis neue Völker, Regionen und Kulturen in der Botschaft des Glaubens zusammenfinden. Diese jungen Menschen führen eine afrikanische Tradition fort, die in Verbindung steht mit der frühen Kirche und den ersten 27 afrikanischen Märtyrern, unter denen Laien wie Perpetua und Felizitas, der große Bischof Cyprian und viele andere zu finden sind. Sie stehen auch in Verbindung mit den gleichaltrigen jungen Märtyrern des 19. Jahrhunderts, die in Namugongo den Tod erlitten haben.
Diese Märtyrer zeigen etwas Gemeinsames auf: ein tiefes Verstehen der „Jüngerschaft“ und des „apostolischen Einsatzes“. Unser Papst Franziskus hat den Weltmissionsmonat unter das Thema der Sendung gestellt: Als „Jünger“ haben sie ihr Leben am Beispiel Jesu ausgerichtet und als „Apostel“ haben sie das Geschenk des Glaubens und der Umkehr zu ihren Landsleuten gebracht. Papst Paul VI. hat 1969 in Kampala ausgerufen: „Ihr Afrikaner, seid Missionare für eure afrika-nischen Schwestern und Brüder!“ Durch das Leben dieser jungen Männer ist das Evangelium, das bis dahin unbekannt und fremd war, afrikanisch geworden, und die unglaublichen Worte Jesu wurden glaubwürdig, weil sie in ihrem Leben „Fleisch“ geworden waren.
Die Botschaft dieser jungen Katechisten
Treue zum Glauben: Es überrascht, mit welcher Entschiedenheit Daudi und Gildo, die erst einige Jahre Christen waren, ihren Glauben lebten. Jesus war für sie nicht jemand, an den man heute glaubt und den man morgen wieder verlässt. Sie lebten ein Leben nach dem Evangelium vor, geschwisterliche Liebe, Dienstbereitschaft und den Wunsch, Werkzeuge zu sein in der Verkündigung des Glaubens. Diese zwei jungen Laien hatten keine Angst, ihren Glauben bis zum Punkt ihres Martyriums zu leben. So sind sie ein inspirierendes Beispiel für die ganze Kirche, aber ganz besonders für ihr Land Uganda.
Apostolischer Eifer: Es ist nicht genug, das Geschenk des Glaubens zu empfangen. Der Glaube muss mit anderen durch das eigene Lebens-beispiel und durch überzeugende Verkündigung geteilt werden. Diese jungen Männer spürten, dass sie den leeren Platz, der durch den Tod ihres Vorgängers, des Katechisten Antonio, entstanden war, füllen mussten.
Bleiben bei den Menschen: Die beiden Katechisten hätten davonlaufen können, taten es aber nicht. Viele unserer Missionare geben bis heute dieses Beispiel. Gerade in Norduganda, wo durch die Lord's Resistance Army (LRA) über 40 000 Kinder entführt wurden, wo viele Jahre lang die Menschen aus Angst vor den Rebellen in den Höfen der Missionen Schutz suchten, waren die Missionare der einzige Schutz für viele Menschen. In einigen Missionen sieht man noch heute die Blutspuren dieser Tragödie.
Wahrheit und Gerechtigkeit: Als sie ihre Mörder sahen, riefen sie: „Ihr könnt uns töten, aber wir haben nichts Unrechtes getan“. Zeugen bestätigten: „Sie haben sie grundlos getötet!“ Der Schrei der Unschuldigen darf nicht vergessen werden, denn sie erinnern uns an die große Verantwortung derer, die andere ausbeuten, niedertreten und die Unschuldigen und Schwachen unterdrücken.
Verantwortung: Durch ihr Leben sprechen die beiden Märtyrer heute zu den Katechisten, zur Jugend und zu den Erwachsenen. Sie sagen uns, dass wir alle aktiv mitarbeiten müssen beim Aufbau unserer Gemeinden und als Fundament starke geistliche und moralische Werte grundlegen.
Vergebungsbereitschaft und Versöhnung: Durch ihr Beispiel, lieber Gewalt zu erleiden als gewalttätig zu werden, sind sie ein Aufruf für alle Menschen in Uganda, die unter ethnischen und politischen Zerrissenheit leiden. Der einzige Weg zu Frieden und Einheit ist Vergebungsbereitschaft, Versöhnung, Gerechtigkeit und Wahrheit.
Den Weltmissionsmonat zu begehen, bedeutet zu bekräftigen, wie das Gebet, das Nachdenken und die materielle Hilfe eine Gelegenheit darstellen, um aktiv an der Mission Jesu in seiner Kirche teilzunehmen. Diese Glaubenszeugen am Beginn der Geschichte Ugandas haben das Fundament gelegt für eine Kirche, die bei den Menschen ist, die einen lebendigen, begeisterten Glauben lebt. Das durfte ich wie-der erleben und das hat meinem Glauben wieder neuen Schwung gegeben. Lassen wir uns ermutigen durch einen wachen Blick auf die Weltkirche!
P. Josef Altenburger