Die Gemeinschaft der Heiligen ist eine der schönsten Realitäten unseres Glaubens. Allerheiligen öffnet uns die Tore des Himmels, um die Freude und das Glück all unserer Brüder und Schwestern – aus allen Zeiten und Orten, Religionen und Glaubensbekenntnissen, Sprachen, Rassen, Völkern und Nationen – zu betrachten, die das himmlische Glück genießen. Die Gemeinschaft wäre unvollständig, ohne an unsere verstorbenen Brüder und Schwestern zu denken, die noch nicht die Gottesschau erreicht haben, das höchste Ziel und Verlangen des menschlichen Herzens. Dies ist die Bedeutung des Gedächtnisses aller Verstorbenen, das auf Allerheiligen folgt. [P. Manuel João Pereira Correia, mccj]
LEBEN UND WOHNEN
IN DER GEMEINSCHAFT DER HEILIGEN
Überlegungen zum Fest Allerheiligen und zum Gedenktag Allerseelen
1. Anfang November, wenn im Norden die Ernte eingebracht ist, die Natur zur Ruhe kommt und die Bäume sich in herbstliche Farben kleiden, wenn die ruhigen, leicht melancholischen Sonnenuntergänge zum Innehalten und in die Ferne blicken einladen… widmet die christliche Tradition einen besonderen Moment der Gemeinschaft mit jenen, die uns auf dem Pilgerweg des Lebens vorausgegangen sind. Dieser Zeitraum beginnt am 1. November mit der Feier der Allerheiligen, auch Allerheiligenfest genannt. Dieses Fest wurde 835 von Papst Gregor IV. eingeführt, doch reichen seine Ursprünge bis ins 4. Jahrhundert zurück, als erstmals die christlichen Märtyrer gemeinsam geehrt wurden. An diesem Festtag, der Himmel und Erde verbindet, freuen wir uns mit der “großen Schar, die niemand zählen konnte, aus allen Nationen und Stämmen, Völkern und Sprachen“, die Johannes in der Offenbarung beschreibt (7,9).
2. Am Tag nach Allerheiligen, am 2. November, feiern wir das Gedächtnis aller verstorbenen Gläubigen, eine Tradition, die im 10. Jahrhundert im Klosterbereich entstand. Es war der Benediktinerabt St. Odilo von Cluny, der 998 diesen Gedenktag einführte und ihn mit Allerheiligen verband. Diese Feier verbreitete sich allmählich und wurde im 13. Jahrhundert auf die gesamte katholische Kirche ausgeweitet. Das Gedächtnis der Verstorbenen ist bis heute ein besonders bedeutungsvoller Anlass, geprägt von Gebeten – insbesondere der Eucharistiefeier –, dem Besuch des Friedhofs, der Dekoration der Gräber mit Blumen und dem Anzünden von Kerzen. Die Erinnerung an verstorbene Familienangehörige und Freunde bleibt den ganzen November hindurch lebendig.
3. In diesem Kontext erscheint es angebracht, das Fest Halloween zu erwähnen, das am 31. Oktober gefeiert wird und mit Allerheiligen sowie dem Gedenken der Verstorbenen verbunden ist und so eine Art „Triduum“ bildet. Halloween ist eine Verkürzung des englischen Begriffs „All Hallows’ Eve“, also „Vorabend von Allerheiligen“. Dieses Fest, das im westlichen Christentum seinen Ursprung hat, hat sich im Laufe der Jahrhunderte zu einer weltlichen Feier entwickelt, die oft von heidnischen Bräuchen geprägt und durch makabre und teils beunruhigende Elemente gekennzeichnet ist, die mit Esoterik und Satanismus assoziiert werden. Durch irische und schottische Einwanderer nach Amerika gebracht, verbreitete es sich im späten 20. und frühen 21. Jahrhundert in viele andere Kulturen und entwickelte sich zu einem karnevalsartigen Fest. Als harmloser Kinderspaß dargestellt, ist Halloween in Wirklichkeit eine Form des kulturellen Neokolonialismus mit kommerziellen Absichten, die das Risiko birgt, die christlichen Feste ihres Sinns zu berauben und die Realität des Todes zu banalisieren, die in unserer Gesellschaft längst zum Tabu geworden ist.
4. Die Gemeinschaft der Heiligen ist eine der schönsten Realitäten unseres Glaubens. Allerheiligen öffnet uns die Tore des Himmels, um die Freude und das Glück all unserer Brüder und Schwestern – aus allen Zeiten und Orten, Religionen und Glaubensbekenntnissen, Sprachen, Rassen, Völkern und Nationen – zu betrachten, die das himmlische Glück genießen. Es geht nicht nur um die „Heiligen von nebenan“ oder die Christen, die ihre himmlische Heimat erreicht haben, sondern um alle Mitglieder des Reiches Gottes, die durch das Blut des Lammes geheiligt wurden (Offb 7,14).
5. Die „Gemeinschaft der Heiligen“ ist kein idealer oder abstrakter Bund, sondern eine sehr konkrete Realität. Die Heiligen, die Bewohner des Himmels, leben nicht im „ewigen Frieden“, ohne unsere täglichen Leiden und Kämpfe gegen das Böse wahrzunehmen. Im Himmel gibt es keine Untätigkeit, sondern Aktivität. Wenn der Vater „ständig am Werk“ ist (Joh 5,17), wie könnten seine Kinder untätig bleiben und unserem Leid gleichgültig gegenüberstehen? In der Gemeinschaft der Heiligen zu leben und zu wohnen bedeutet, sich dieser wunderbaren Solidarität bewusst zu werden, sich ihr zu öffnen und am Wirken des Himmels auf Erden teilzunehmen.
6. Die Gemeinschaft wäre unvollständig, ohne an unsere verstorbenen Brüder und Schwestern zu denken, die noch nicht die Gottesschau erreicht haben, das höchste Ziel und Verlangen des menschlichen Herzens. Dies ist die Bedeutung des Gedächtnisses aller Verstorbenen, das auf Allerheiligen folgt. Die pilgernde Kirche auf Erden erinnert sich ihrer mit Zuneigung, betet für sie mit Vertrauen und beteiligt sich durch ihre Fürbitten an ihrer Reinigung. Jedes Mal, wenn wir die Eucharistie feiern, erinnern wir uns in der eucharistischen Fürbitte an sie: „Gedenke auch unserer Brüder und Schwestern, die entschlafen sind in der Hoffnung, dass sie auferstehen. Nimm sie und alle, die in deinem Frieden aus dieser Welt geschieden sind, in dein Reich auf, wo sie dich schauen dürfen von Angesicht zu Angesicht“ (Eucharistisches Hochgebet II).
7. Zu diesem Anlass werden wir ermutigt, uns öfter und mit brüderlicher Fürsorge an alle verstorbenen Gläubigen zu erinnern, insbesondere an unsere Familienangehörigen und Freunde, mit denen wir eine Beziehung der Zuneigung und Dankbarkeit teilen. Es ist eine Gelegenheit, unser Gemeinschaftsband mit ihnen zu stärken, denn der Tod bricht die Bande der Liebe nicht, sondern reinigt und stärkt sie. Auch wenn die Erinnerung an manche Menschen aufgrund des erlittenen Leids und Unrechts schmerzhaft sein mag, kann diese Zeit eine Zeit der Gnade sein, um uns mit ihnen zu versöhnen, unsere Wunden zu heilen und unsere Erinnerungen zu beruhigen. Im Licht der Liebe sind sie sich nun des begangenen Unrechts wohl bewusst und flehen in Reue um unsere Vergebung und beten für uns.
8. Die Gedenktage des 1. und 2. Novembers, die den ganzen Monat hindurch im Gedächtnis an unsere lieben Verstorbenen fortgesetzt werden, sind ein Bekenntnis unseres österlichen Glaubens. Die Gnade dieser Feste ermöglicht es uns, mit größerem Bewusstsein zu bekennen: „Ich glaube an die Gemeinschaft der Heiligen, die Vergebung der Sünden, die Auferstehung des Fleisches und das ewige Leben“. Darüber hinaus vertreibt das Eintauchen in das Leben des auferstandenen Christus, der Erstgeborene der Lebenden, unsere Furcht vor dem Tod. Die christliche Hoffnung führt uns durch einen Prozess der Verklärung des Todes, bis wir, wie Franz von Assisi, den Tod als „Schwester Tod“ betrachten können.
9. Die Betrachtung der Heiligen und die Erfahrung der Gemeinschaft mit den Verstorbenen veranlasst uns, unser Leben mit dem zukünftigen und endgültigen Leben zu vergleichen. Die Schönheit der Gemeinschaft der Heiligen, wenn sie wirklich gelebt wird, drängt uns dazu, unsere Lebensmaßstäbe zu ändern: Der Christ, der zum Himmel schaut, lässt sich nicht von weltlichen Kriterien leiten. Wenn unser Blick vom Licht erhellt wird, verpflichten wir uns, an der Verwirklichung des Reiches Gottes auf Erden mitzuwirken, indem wir den Frieden, die Gerechtigkeit und die universelle Brüderlichkeit fördern.
10. In Bezug auf das Fegefeuer ist es notwendig, diese Lehre von den im Laufe der Jahrhunderte im christlichen Vorstellungsvermögen angesammelten Bildern zu befreien. Nach dem Tod befinden wir uns außerhalb von Raum und Zeit, und es ist nicht möglich, sich das Fegefeuer „vorzustellen“, sondern nur daran zu denken. Der Katechismus der Katholischen Kirche behandelt dieses Thema auf nüchterne, aber wesentliche Weise (Nr. 1030-1032) und spricht von der „endgültigen Reinigung oder dem Fegefeuer“. Der heilige Paulus sagt in 1 Korinther 3,10-17, dass „das Feuer die Qualität der Werke eines jeden prüfen wird“ und dass einige „wie durch Feuer hindurch“ gerettet werden. Alles in Gott ist jedoch Gnade. Sogar das Fegefeuer! Es ist das Gnadenmittel, das uns zu „reiner Liebe“ machen soll. Man könnte sagen, dass das „Reinigungsfeuer“ das Feuer des Geistes ist, das sein Werk der Heiligung in uns fortführt, zugleich auch das Feuer der Sehnsucht unserer Seele, die nach der Gottesschau dürstet und leidet, weil sie sich noch „entfernt“ fühlt. Denn „stark wie der Tod ist die Liebe, zäh wie die Unterwelt die Leidenschaft: ihre Gluten sind Feuergluten, eine göttliche Flamme!“ (Hoheslied 8,6).