Pater Austine Odhiambo Radol: Erfahrung in Deutschland seit sieben Monaten

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Mittwoch, 29. Mai 2024
Sieben Monate sind nun vergangen, seit ich in Deutschland angekommen bin. Meine Erfahrungen in diesen Monaten lassen sich in den folgenden Sätzen zusammenfassen: Deutschland ist nicht Österreich, Student zu sein ist etwas anderes als Missionar zu sein, und die heutige Gesellschaft ist völlig anders als vor zwanzig Jahren.

Das sind die Realitäten, mit denen ich mich auseinandersetzen musste und immer noch muss, um in mir die Bereitschaft für einen neuen und sinnvollen Missionseinsatz in Deutschland zu schaffen. Es ist mir bewusst, man hat mich mit dem Hintergrundgedanken nach Deutschland versetzt, dass es mir leichter fallen würde, mich hier einzuleben, da ich bereits in einem deutschsprachigen Land gewesen bin. Aber es wäre naiv von mir, diese vermeintlichen Vorteile für selbstverständlich zu halten. Denn die Welt verändert sich sehr schnell, und man muss sich dessen immer bewusst sein.

Von links, P. Mbithi Clement Mutie, P. Josef König und P. Austine Odhiambo Radol,
in Ellwangen (Deutschland).

Deutschland ist nicht Österreich

Ja, Österreich liegt im deutschen Sprachraum und ist auch Teil des deutschen Kulturkreises. Wenn man schon einmal in Österreich gelebt hat, wird einem nichts völlig fremd vorkommen. Das ist wirklich ein Vorteil, den ich habe. Allerdings muss man wissen, dass es auch innerhalb Deutschlands Unterschiede gibt. Die Art und Weise, wie man sich verhält, die Aussprache usw. sind nicht eins zu eins. Es gibt Details, an die man sich gewöhnen muss, damit man sich zurechtfindet. Ein Beispiel, das mir einfällt, ist, wie schnell man sich „duzt“ in Österreich gegenüber Deutschland. Vielleicht ist es nicht immer der Fall, aber es fällt mir sehr oft auf, wie in den Pfarrblättern in Österreich der Pfarrer seiner Gemeinde mit „Ihr“ und „Euch“ anredet. In Deutschland ist die Anredeformel sehr oft „Sie“ und „Ihnen“.

Student zu sein ist etwas anderes als Priester zu sein

Das ist eine Realität, die man überall spürt, wenn man zum Priester geweiht ist. Als Student in Österreich war es für mich sehr einfach, mit Menschen in Kontakt zu kommen. Aber wenn man zum Priester geweiht wird, merkt man sofort, dass die Menschen einem gegenüber eher zurückhaltend und vorsichtig sind. Es braucht einige Zeit und ein bewusstes Bemühen des Priesters, die Barrieren abzubauen. Nur dann wird man in der Lage sein, menschliche Beziehungen zu gewinnen.

Die Gesellschaft ist ganz anders als vor zwanzig Jahren

Dies ist eine Tatsache, die in jeder Hinsicht berücksichtigt und anerkannt werden soll. Es war für mich sehr erstaunlich zu sehen, wie die Kinder, die geboren wurden, als ich vor zwanzig Jahren hier war, erwachsen und alt geworden sind. Einige waren noch winzig, und ich habe sie in meinen Händen gehalten. Aber jetzt sind sie erwachsen und studieren an der Universität. Das macht mir bewusst, dass auch ich alt geworden bin. Mir ist bewusst, dass mindestens 60 % der Menschen, denen ich im Zug oder in der U-Bahn begegne, jünger sind als ich. Ihre Weltanschauung unterscheidet sich stark von meiner.

Außerdem hat sich das allgemeine Bild von der Kirche und den Priestern stark verändert. Dies ist vor allem auf die Aufdeckung der Missbräuche zurückzuführen, die im letzten Jahrhundert in kirchlichen Kreisen stattfanden. Weder die Kirche noch die Priester werden heute so positiv gesehen wie vor zwanzig Jahren. Es braucht heute sogar Mut dazu, sich als Priester oder Missionar vorzustellen.

Mission im Krankenhaus

Kurz nach meiner Ankunft stellte mich unser Provinzial Pater Hubert Grabmann dem Erzbischof vor (damals war er noch Weihbischof und Administrator unserer Diözese Bamberg). Bei dieser Vorstellungsrunde äußerte der Erzbischof den Wunsch, dass die Diözese einen Krankenhausseelsorger bräuchte und dass man sich freuen würde, wenn ich bereit wäre, diese Aufgabe zu übernehmen.

Nach den üblichen Verhandlungen zwischen dem Erzbistum und dem Provinzial wurde ich mit Wirkung vom 1. Dezember 2023 mit der Seelsorge in der Pfarrei St. Kunigund in Nürnberg und der Seelsorge im Theresienkrankenhaus beauftragt.

Ich hatte mir nie vorstellen können, als Krankenhausseelsorger zu arbeiten. Ich wusste auch nicht, dass es mehr ist als nur die Krankensalbung und das Austeilen der Krankenkommunion. Meine innere Einstellung und meine Bereitschaft, Neues zu lernen, haben dazu beigetragen, dass ich ohne Probleme in das Team der Krankenhausseelsorge aufgenommen wurde. Ich war erstaunt, wie viele Laien in diesem Team arbeiten. Wir sind sieben Leute im Team, aber nur zwei von uns sind Priester. Allein dadurch wurde mir klar, dass dies mehr ist als ein normaler priesterlicher Dienst an den Kranken. Mit der Zeit habe ich auch verstanden, dass diese Arbeit keine psychologische Beratung ist. Mit Hilfe meiner Kollegen im Team habe ich verstanden, dass es darum geht, Menschen zu begleiten, die durch Krankheit eine schwierige Phase in ihrem Leben durchmachen. Es sind nicht nur die Kranken, die hier Unterstützung brauchen, sondern auch deren Angehörige, die ebenfalls sehr oft betroffen sind.

Das Umfeld dieser Mission ist vielfältig: Hier trifft man einfache Gläubige, die um die Sakramente bitten, Menschen anderer Konfessionen und anderer Religionen, Menschen, die aus Verbitterung aus der Kirche ausgetreten sind, Menschen, die nicht an Gott glauben. Es ist auch ein multikulturelles Umfeld, denn die Menschen kommen aus allen Teilen der Welt. Diese Multikulturalität gilt nicht nur für die Patienten, sondern auch für das Krankenhauspersonal. Unsere Aufgabe als Seelsorger ist es, einen Weg zu finden, auf diese Menschen zuzugehen, um sie ohne Zwang zu begleiten. Der Ansatz muss also menschlich sein und darf sich nicht auf den Glauben beziehen.

In dieser kurzen Zeit habe ich erkannt, wie notwendig die Krankenhausseelsorge in Europa ist. Sie ist auch in Afrika und anderswo wichtig. Ich stelle jedoch fest, dass das soziale Netz in Afrika noch sehr stark ist und dass die Patienten und ihre Familien oft von ihren Verwandten und Freunden besucht und betreut werden. Hier hingegen gibt es viele Patienten, die nicht besucht werden, die allein sterben und deren Angehörige in schwierigen Momenten oft keine Unterstützung haben. Ich denke daher, dass diese Arbeit ein geeignetes missionarisches Umfeld für die Comboni-Missionare ist, im Sinne einer Option für die Ärmsten und Verlassensten.

Pater Austine Odhiambo Radol