Sonntag, 29. November 2020
Seit fast 25 Jahren leben Comboni-Missionare bei den Nuer. Sie wurden mit der Seelsorge der Pfarrei St. Josef der Arbeiter in Leer (Diözese Malakal) betraut. Diese Gemeinde besteht aus vier Bezirken: Leer, Mayiendit, Panyijiar und Koch, alle im Bundesstaat Unity. Ihre pastoralen Schwerpunkte sind die Ausbildung von Führungspersonal, Bildung, Jugend und Frauen.
Etwa zwei Millionen Menschen zählen sich zu den Nuer oder Ney ti Naath, was mit „das Volk unter den Völkern“ übersetzt werden kann. Sie leben verteilt auf verschiedene Bereiche und Clans in den Bundesstaaten Unity (Bentiu), Jongley (Fangak und Akobo) und Upper Nile (Nassir). Ihr Lebensstil ist an die periodischen Überschwemmungen und die Trockenheit des Landes angepasst.
Die Dörfer und Siedlungen der ländlichen Nuer bestehen aus strohgedeckten Lehmziegelhütten und größeren Gebäuden, in denen das Vieh untergebracht ist. Sie liegen über dem maximalen Hochwasserniveau. Dorthin kehren die Nuer während der Regenzeit zurück, und dort pflanzen sie Getreide an. Eine typische Siedlung besteht aus mehreren Großfamilien und weiterem Gelände. Ziegel oder andere Gebäude aus dauerhaftem Material findet man selten.
Die Lebensweise der Nuer basiert auf der Großfamilie, in der ein Mann das Oberhaupt der Familie ist. Ihre politische Organisation basiert auf Verwandtschaft, die aus Familien und weiteren Unterteilungen nach Abstammung besteht und keine zentrale Regierungsform hat. Manchmal organisieren sich die Stämme zu losen Föderationen. Die Linien sind ein wichtiger struktureller Faktor für die politische Ordnung. Die territorialen Gruppierungen und Abstammungsgruppierungen sind für bestimmte Zwecke enger aufeinander abgestimmt.
Die Nuer leben meist in den sumpfigen Gebieten der ehemaligen Provinzialregion Oberer Nil. Der Einfluss der Umwelt auf den Lebensstil der Nuer ist offensichtlich. Sie sind sesshaft (obwohl einzelne Familien in Einzelsiedlungen leben) und Agro-Viehhirten, denen es gelingt, Subsistenzlandwirtschaft mit Viehzucht und Fischerei in Einklang zu bringen. Ihre Wirtschaft basiert auf Vieh und Nutzpflanzen wie Sorghum und einigen anderen Kulturen. Manche haben begonnen, als Händler Geschäfte auf den örtlichen Märkten zu machen.
Die Präsenz der katholischen Kirche in Leer geht auf die achtziger Jahre zurück. Zuvor hatten die britischen Kolonialherrendurch den „Missionary Act“, der die Missionssphären (1905) schuf, das gesamte Gebiet den Protestanten (American Protestant Mission) zugewiesen. Dies ermöglichte den Presbyterianern bis zur Gründung der katholischen Mission das protestantische Missionsgebiet aufzubauen. Dieser protestantischer/presbyterianischer Hintergrund wirkt sich noch sehr auf den Lebensstil der Nuer aus.
Der Beginn der Katholischen Christlichen Bewegung unter den westlichen Nuer fand in den achtziger Jahren statt und wurde von jungen Nuer-Laien angeführt, die später Katechisten genannt wurden. Sie entwickelte sich während des Krieges, als diese Katecheten viele christliche Gemeinschaften gründeten und viele Menschen tauften. Einer diesen Katecheten war James Duol Kai, der als Gründer der katholischen Kirche im Bundesstaat Unity gilt. Diese Arbeit (1984-1993) war von grundlegender Bedeutung für die Gründung der katholischen Kirche bei den Nuer. Soweit wir wissen, waren diese begeisterten Führungspersonen die erste Gruppe im Südsudan, die das Werk der Evangelisierung aufnahm, wie wir es in der katholischen Kirche verstehen.
1993 hielten die Katecheten, die sich sehr für den Aufbau der katholischen Kirche im Gebiet der Nuer eingesetzt hatten, es für wichtig, um die Anwesenheit von Priestern bei ihnen zu bitten. Zwei Vertreter reisten nach Nairobi und baten um Priester. 1996 kam eine erste Gruppe von Comboni-Missionaren nach Leer und gründete die Mission. Seitdem hat sich diese junge Kirche im Glauben und Verständnis der christlichen Ethik entwickelt und gefestigt. Einige Werte waren bereits Teil der Nuer-Kultur.
Das Gebiet hat in Zeiten von Konflikten gelitten, und die Menschen mussten flüchten, um sich in Sicherheit zu bringen. 1998 veließen die Missionare Leer und zogen mit dem Volk nach Nyal, nachdem sie ständig von Milizen des verstorbenen Generals Paolino Matip angegriffen worden waren. 2007 kehrten die Missionare nach Leer zurück. 2014 wurde Leer von Regierungstruppen angegriffen, um die Streitkräfte von Oppositionsführer Riek Machar zu zerstreuen. Die Missionare wurden überrascht. Sie wurden angegriffen und mussten um ihr Leben fliehen. Wochenlang hielten sie sich mit den Menschen in den Sümpfen versteckt, bevor sie von den Vereinten Nationen evakuiert wurden. Dann zogen die Missionare nach Nyal um, wo sie weiterhin Seelsorge für die Bevölkerung anboten, die wieder einmal Opfer von Konflikten und Gewalt wurde.
Die Ausbildung pastoralen Personals ist ein Schwerpunkt unserer missionarischen Arbeit bei den Nuer. 2004 wurde das Pfarrzentrum „James Duol Kai“ in Nyal mit einem neunmonatigen Programm zur Vorbereitung neuer Katecheten eingeweiht. James Duol Kai, der Pionier unter den Nuer-Katechisten, war im Jahr 1994 während des Krieges im Kreuzfeuer gestorben. Das Ausbildungsprogramm wurde bis 2014in Leer fortgesetzt. Die Pfarrei zählt über dreihundert Katecheten und Laienseelsorger. Im Mai 2020 nahmen die Missionare das Programm in Leer wieder auf, um die Katecheten im Hauptzentrum der Pfarrei zusammenzubringen und das Engagement der Kirche für Frieden und Versöhnung zu bezeugen. In Leer kam es während des jüngsten Konflikts zu vielen Gewalttaten.
Die „Ausbildung der Katecheten“ dient als Ansatz und wendet die Methode des „Sehen – Urteilen – Handeln“ an. Zusammen mit den Zielen des Pastoralplans der Pfarrei umfasst das Unterrichtsprogramm die Bibel, die Liturgie, Sakramente, Katechese, Kirchengeschichte, die Soziallehre der Kirche und andere relevante Bereiche und Themen entsprechend den jeweiligen Bedürfnissen.
Die Missionare sind vor allem in der Seelsorge tätig, da die Größe der Pfarrei viel Engagement erfordert, um alle Zentren zu besuchen, und sie legen weite Strecken zu Fuß zurück. In Nyal arbeiten Missionare mit der örtlichen Grundschule und der Sekundarschule zusammen. Die katholische Kirche führte einen Kindergarten in Leer und unterstützte weitere Dorfkindergärten. In Leer förderten Missionare auch ein Berufsbildungszentrum (VTC).
Dieses VTC bot Kurse in den Bereichen Landwirtschaft und Tierhaltung an. Darüber hinaus erwarben die Studierenden auch Grundkenntnisse in Mathematik, Englisch und Management. Das Zentrum wurde geplündert und 2014 geschlossen. Während seiner dreijährigen Tätigkeit trug es zur Bildung von Hunderten von Studenten bei. Es besteht die Hoffnung, dass das Projekt wieder aufgegriffen wird, sobald es Frieden und Sicherheit im Land gibt.
Die Mehrheit der Menschen in unserer Pfarrei sind junge Menschen. Wir versuchen, Jugendlichen durch ein systematisches Bildungsprogramm, das die Bibel, JPIC (Justice, Peace, and Integrity of Creation – Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung) und andere relevante Jugendthemen umfasst, pastorale Unterstützung zu bieten.
Das Frauenreferat befasst sich mit den organisierten und nicht organisierten Frauengruppen in der Pfarrei. Es fördert die Unterstützung von Frauen durch christliche Bildung (z.B. Bibelstudium, gemeinsames Gebet usw.), Bildung (Grundkompetenz) und die Erhöhung ihres Anteils am Entscheidungsprozess, im Hinblick auf ihre Marginalisierung in der Nuer-Gesellschaft. Außerdem soll es den Frauen helfen, die Lebensqualität durch praktische Fähigkeiten (z. B. Nähen und Landwirtschaft) zu verbessern. Die größten Herausforderungen sind Analphabetismus und ständige Anwesenheit aufgrund der vielen anderen Verpflichtungen, die die Frauen haben.
Pater Christian Carlassare
Comboni-Missionare