Dienstag, 25. April 2017
In der Geschichte des Comboni Instituts gibt es vier Ereignisse die eng miteinander verbunden sind: Die Teilung (1923), die Wiedervereinigung, die Lebensform (1979) und die Heiligsprechung Combonis (2003). Es stellen sich die Fragen: Warum geschah die Teilung? Wie kam es zur Wiedervereinigung? Die folgenden Zeilen können uns helfen, beide Ereignisse in ihren Bewegründen, Protagonisten, ihrer Entwicklung und ihren Auswirkungen besser zu verstehen. [P. Romeo Ballan, Comboni-Missionar].
Teilung
(1923)
Wiedervereinigung
und Lebensform
(1979)
Comboni heilig gesprochen
(2003)
1923: die Wunde der Teilung
Im Jahr 1923 geschah die juristische Teilung des Comboni Instituts in zwei getrennte und selbstständige Kongregationen. Dieses Datum ist wie eine „Wasser-scheide“, eine Grenze zwischen dem Vorher und dem Nachher auf dem Weg zur Wiedervereinigung, die 1979 ihre endgültige Form erreichte.[1]
Die Teilung im Jahr 1923 hatte Vorkommnisse, die ihr voraus gingen und teilweise das Ereignis erklären, aber nicht rechtfertigen können. Seit den Anfängen der Mission in Zentralafrika vor, während und nach Mons. Comboni waren die Anzahl und der finanzielle Beitrag der Missionare aus Österreich, Deutschland und Slovenien beachtlich und ihre Missionsarbeit erfolgreich. Allerdings gelang es den beiden Gruppen, den Italienern und den Deutschen/Österreichern, nicht immer, unter-einander in Harmonie zu leben und zusammenzuarbeiten, weder in Verona noch in Ägypten und im Sudan.
Vorgaben eines schmerzhaften Ereignisses
Nach Aussagen des Österreichers P. Johann Dichtl, dem Sekretär Combonis, hätte der Gründer selbst die Eröffnung eines Hauses außerhalb Veronas gewollt. In der historischen und künstlerischen Stadt Brixen, die damals zu Österreich gehörte, wurde 1895 das erste Haus außerhalb Veronas eröffnet. In Verona hatte Comboni 1867 sein Institut gegründet, das 1885 in eine Ordens-kongregation (FSCJ) umgewandelt wurde.
Die Option für Brixen – wichtiger Bischofssitz in Südtirol – war das Ergebnis eines heftigen Zusammen-prallens sich konträr gegenüber stehender Haltungen auf kaiserlicher, bischöflicher, vatikanischer und comboni-anischer Ebene… Das Missionshaus auf österreichisch-ungarischem Boden, das der Kaiser in Wien, Schutzherr der afrikanischen Mission, unbedingt wollte, wurde für die Ausbildung der deutschsprachigen Missionare eröffnet.[2] Diese Gründung hatte eine ganz besondere symbolische und historische Bedeutung: Sie war eine Herausforderung für die Einheit und das interkulturelle Zusammenleben. Diese Problematik schleppte man bis 1919 weiter. Sie floss dann in die Ereignisse von 1923 ein.[3]
Der erste Rektor von Brixen war der Holländer P. Franz Heymans. Er wurde von den deutschen Brüdern Clemens Schröer und Christian Platz und einigen Novizen begleitet. Am Tage seiner Ankunft ging P. Heymans zuerst in das nahe gelegene Kloster Neustift, um den großen Freund und Gönner Combonis und aller Missionare, den Kanonikus J. Ch. Mitterrutzner, zu besuchen.
Die Anfänge der Gemeinschaft in einem alten Gebäude waren sehr bescheiden. Zwei Jahre später traf im Juli 1897 der Deutsche P. Franz Geyer ein, der die Entwicklung von Brixen entschieden vorantrieb. Er war ein außergewöhnlicher Missionar, intelligent, mit organisatorischen Fähigkeiten, mit einer reichen Missionserfahrung in Ägypten und im Sudan. Er war ein großer Verehrer Combonis. Er schrieb auch im Jahr 1882 die erste Comboni Biografie. Er war ein enger Freund Mitterrutzners und verstand es, mit großem Eifer Gelder zu sammeln und Berufe zu werben.
Da das Haus zu klein wurde, errichtete P. Geyer in zwei Jahren ein größeres für 60 bis 70 Aspiranten. 1898 gründete er die Monatszeitschrift Stern der Neger, mit dem Zweck, für Mittel und Aspiranten zu werben und über die afrikanische Mission zu informieren. 1900 begann er den Missionskalender Werk des Erlösers als Bindeglied zwischen den Freunden und Wohltätern zu verbreiten.
1903 wurde P. Geyer im Alter von 44 Jahren zum Apostolischen Vikar von Khartum ernannt. Damit war er nach F. Sogaro und A. Roveggio der dritte Nachfolger Combonis auf diesem Bischofsstuhl. Mons Geyer war eine Führerpersönlichkeit und in so manchen Belangen und Wünschen ein wichtiger Bezugspunkt für die deutsche Gruppe und zwar so sehr, dass die Oberen von Verona scheinbar Brixen und Khartum als Rivalen ansahen.
Spannungen zwischen den zwei Gruppen
Nach einigen Spannungen zwischen dem General-superior P. F. Vianello in Verona und Mons. Geyer, Bischof von Khartum, wurde 1913 das Vikariat geteilt. Der nördliche Teil wurde den Deutschen anvertraut, der südliche den Italienern in der Hoffnung, intern die Harmonie besser zu bewahren.
Es gab Spannungen wegen der unterschiedlichen Ausbildung in Brixen und Verona, und wegen der verschiedenen Missionsmethoden, nach denen man vorging. In Italien waren anti-österreichische Bewegun-gen (Risorgimento) entstanden und in Österreich herrschten ähnliche Antipathien gegen die Italiener. Die Spannungen zwischen Italien und Österreich-Deutschland verstärkten sich noch mehr im 1. Weltkrieg (1914-1918). Der Sieg der Italiener hinterließ Wunden und Ressentiments, die die Beziehungen wegen der politischen Grenzen noch mehr belasteten. Trient und Bozen kamen zu Italien, der Brennerpass wurde zur neuen Grenze zwischen Italien und Österreich. Die Diözese Brixen verlor ihre Gebiete nördlich des Brenners. Trientiner, Tiroler und Österreicher mussten ihren Pass wechseln und sich als Italiener „fühlen“.
Das Generalkapitel 1919 beschließt die Errichtung einer deutschen Provinz
Unter diesen Voraussetzungen kam das dritte Generalkapitel (Verona 22.9.-1.10) zustande. Auf ihm wurde P. Paolo Meroni[4] zum Generaloberen gewählt. Zu seinen Assistenten wurden gewählt: A. Vignato und F. Vianello (Italiener), F. Heymans (Holländer) und Jakob Lehr (Deutscher). Am 29. September ist zum ersten Mal das Wort ‘Provinz’[5] gefallen: “P. Wilfling schlägt dem Kapitel vor, die deutschsprachigen Häuser zu einer Provinz zu erheben: das Kapitel stimmt dem Vorschlag zu und der Präsident (P. Meroni) versichert, dass er das Thema behandeln wird, sobald die politischen Umstände geklärt sind”.[6] Einzelheiten dieser ‘Provinz’ wurden nicht besprochen, aber es war klar, dass man die Regierungsstruktur ändern und mehr Autonomie wollte, ohne die Einheit des Instituts in Frage zu stellen.
Nach zwei Jahren, im Herbst 1921, befragte P. Meroni, getreu dem Kapitelsauftrag, alle deutschsprachigen Missionare, ob nach ihrer Meinung die Zeit gekommen sei, eine deutsch-österreichische Provinz zu errichten: 20 von 29 Wahlberechtigten antworteten mit JA. Jedoch nach einigen Monaten präsentierte P. Meroni in der Sitzung vom 29. Dezember 1921 zwei unerwartete Beschlüsse: keine deutsch-österreichische Provinz zu errichten und das Noviziat und Scholastikat von Brixen zu schließen, um allen in Venegono und Verona eine einheitliche Ausbildung zu gewährleisten.
Die Patres Heymans und Lehr protestierten gegen diese Entscheidung, die dem Kapitel widersprach. Mehrere der deutschen Mitglieder waren jedoch bereit, dem Generaloberen zu gehorchen und dachten noch in keiner Weise an eine mögliche Teilung des Instituts. Aber der Bruch zeichnete sich bereits ab: angesichts der Gefahr, total vereinnahmt zu werden, begannen einige der Verantwortlichen über eine Form von Trennung nachzudenken und für sie zu werben (die Patres J. Lehr, A. Ipfelkofer, J. Klassert, D. Kauczor und andere).
Der polnisch Missionar P. Kauczor, Missionar in Khartum und später in Südafrika, führte als Argument ins Feld: „So wie das Tochterkloster einer Benediktinerabtei, das die nötige Reife erlangt hat, eine unabhängige Abtei wird”, (so könnte es auch bei uns sein). Bischof Geyer hatte sich in den Prozess der Teilung nicht mehr eingemischt, da er ja bald das Vikariat verlassen würde.
Das Dekret der Propaganda Fide: 27. Juli 1923
P. Meroni bereitete sein Dossier vor und beschloss, die Angelegenheit der Propaganda Fide in Rom vorzulegen, wo er sich 1922 ziemlich lang aufhielt. Er geriet in Konflikt mit dem Präfekten der Propaganda Fide Kardinal Van Rossum, einem holländischen Redemptoristen, und Gegner der Lösung von P. Meroni. Der Kardinal widersetzte sich bis zum Schluss der Teilung und weigerte sich, das offizielle Dekret zu unterschreiben. In der Tat, das Dekret trägt nur die Unterschrift des Sekretärs und eines Mitarbeiters.
P. Meroni suchte die Unterstützung von anderen Kardinälen und Beamten des Vatikans. Am 27. November 1922 wurde in der Vollversammlung der Propaganda Fide beschlossen, das Institut in zwei selbständige Kongregationen zu teilen. Bevor die Teilung in Kraft treten konnte, mussten sich beide Teile unter Aufsicht der Propaganda Fide über einige Punkte eins werden, die Aufteilung der Güter mit eingeschlossen. Die Propaganda ernannte den spanischen Claretiner P. F. Maroto zu ihrem Vollzugsbeamten. Die Entscheidung der Propaganda wurde von Pius XI. approbiert.
‘Mit Widerwillen’ veröffentlichte die Propaganda Fide am 27. Juli 1923 das Dekret “Sodales Instituti Veronensis”[7] über die Teilung des Instituts der FSCJ in zwei selbstständige Kongregationen, beide päpstlichen Rechtes und unter der Abhängigkeit von Propaganda Fide: die FSCJ für die Italiener, mit Sitz in Verona, die MFSC (Missionare Söhne des Herzens Jesu) für die Deutschen und Österreicher, mit der Möglichkeit, sich für die eine oder die andere Kongregation zu entscheiden.[8] Die Propaganda Fide ernannte P. Jakob Lehr zum Generaloberen der MFSC und beauftragte ihn, ein Generalkapitel vorzubereiten (1926). Der Papst errichtete die neue Apostolische Präfektur Lydenburg (Südafrika) und vertraute sie den MFSC an.
1923 hatten die FSCJ 150 Mitglieder (Priester, Brüder und Scholastiker) in Italien, Ägypten, Sudan und Uganda; 50 Novizen in Venegono Superiore und 60 Aspiranten. Die MFSC hatten 54 Mitglieder: 26 Priester, 22 Brüder und 6 Scholastiker, 15 Novizen und 38 Aspiranten in Brixen, Graz und Ellwangen. Von den 54 Mitgliedern befanden sich 14 in Ägypten und warteten auf ein Schiff, das sie nach Südafrika bringen würde. Dort kamen sie am 11. Februar 1924 an.
Überlegungen zu den Ereignissen von 1923
1. Abwesenheit von Comboni – Es überrascht, dass in den Gesprächen und Dokumenten über die Teilung von 1923 Comboni mit keinem Wort erwähnt wird. Manche sind der Ansicht, dass die Teilung die Ausbreitung der Comboni-Missionare in Zentral- und Osteuropa blockiert hat (wo andere wie die SVD, OMI, SCJ, CICM, MAfr, SdB... große Erfolge erzielten).
2. P. Meroni: der Verfechter der Teilung – Der Vorschlag von P. Meroni Ende 1921, Noviziat und Scholastikat von Brixen zu schließen, löste angesichts der klaren Absicht, die Gruppe zu absorbieren, den Protest der Deutschen aus. Daraufhin machte sich der Gedanke an eine Trennung breit. In seiner Botschaft an die FSCJ (Oktober und Dezember 1923) sagte P. Meroni ausdrücklich, dass er in gutem Glauben selbst die Trennung vorschlug, als einzigen Ausweg: “Wir sind überzeugt, dass alles das Werk Gottes gewesen ist”.[9] P. Lehr seinerseits lud die 54 MFSC ein, dem Herrn mit einem Te Deum für die “glückliche Lösung unseres Themas” zu danken.
3. Es war mehr eine “Teilung” als eine “Trennung”
Das Ereignis von 1923 wurde früher als “Trennung” bezeichnet; heute hingegen spricht man von “Teilung”, denn das besagt Gleichheit, während das Wort Trennung den Weggang und die Rückkehr eines Teiles bedeutet. Die Wiedervereinigung 1979 ist vielmehr eine Wiederbegegnung in Parität von zwei Instituten gewesen, die gemeinsam einen neuen Weg beschlossen hatten. Darin liegt die volle Bedeutung des neuen Namens (MCCJ) und der neuen Lebensform.
4. Treue, eine Bedingung für die Fruchtbarkeit – Die ehemaligen Generaloberen P. F. Pierli und P. T. Agostoni bezeichnen die Teilung als eine tiefe Wunde. Die Treue zum Gründer und zu den Entscheidungen der Generalkapitel gewährleisten die Fruchtbarkeit. Wichtige Kapitelsbeschlüsse nicht umzusetzen oder gegen sie zu handeln, heißt, sich gefährlichen Abenteuern auszusetzen. Das ist den Comboni-Missionaren nach 1919 passiert.
Auf der Suche nach Wegen der Wiedervereinigung
Papst Johannes XXIII. sagte zum Generaloberen der FSCJ P. Gaetano Briani, er solle mit Kardinal Arcadio Larraona die Causa Comboni besprechen.[10] Bei der Begegnung (1961) mit Vertretern der beiden Institute[11] empfahl Larraona, der unsere Geschichte bestens kannte, zwei wichtige Schritte, auch im Hinblick auf die Heiligsprechung von Comboni: erstens, die Wiedervereinigung der beiden Institute; zweitens, das Leben des Gründers wissenschaftlich zu erforschen. Die Gründung von “Studium Combonianum” und der Zeitschrift “Archivio Comboniano” in Rom (1961) war die Antwort auf die beiden Ratschläge des Kardinals.
Als man in der Comboni-Familie in den fünfziger Jahren anfing, Comboni als gemeinsamen Gründer zu entdecken und zurückzuholen, bemühte man sich entschlossener um die Wiedervereinigung. Wiedervereinigung und Heiligsprechung des Gründers wurden als zwei untrennbare Werte gesehen: ohne Wiedervereinigung wäre die Heiligsprechung aussichtslos gewesen.
Während des Konzils knüpfte P. Briani erste Kontakte mit den MFSC Bischöfen A. Reiterer von Lydenburg (Südafrika) und A. Kühner von Tarma (Peru). Sie beschlossen, einige Mitbrüder in die beiden Diözesen auszusenden.
1967-1979: Fünf Generalkapitel gehen entschlossen den Weg der Wiedervereinigung
Die Generalkapitel von 1967 (MFSC) und von 1969 (FSCJ) gaben wichtige Hinweise zur Wiedervereinigung. Der gleiche Ursprung, das gleiche Charisma, die gleiche missionarische Zielsetzung und die gleichen Regeln führten zum endgültigen Schritt. Nach dem Generalkapitel von 1969 bildeten die beiden Generalräte eine gemeinsame Kommission, die Reunion Study Commission (RSC), um die Probleme zu studieren und konkrete Vorschläge für die Wiedervereinigung auszuarbeiten. Die Kommission setzte sich aus je fünf Mitgliedern zusammen, die in zehn Arbeitstreffen ihren Generalräten wichtige Lösungsversuche unterbreiteten. Die RSC war besonders hilfreich bei der fortschreitenden Wiedervereinigung der beiden Institute in Spanien.
Der Wiedervereinigungsprozess erreichte seinen Höhepunkt zwischen 1975 und 1979. Die Generalkapitel der MFSC (1973) und der FSCJ (1975) tauschten Vorschläge für die rechtliche Form der Wiedervereinigung aus. Die MFSC schlugen ein Modell vor, das die FSCJ in Rom sorgfältig studierten und ihrerseits den Vorschlag machten, die Wiedervereinigung auf der Grundlage von “Besonderen rechtlichen Bindungen” zu verwirklichen. Die MFSC nahmen die “Bindungen” als Plattform für die entscheidende Debatte an und luden die FSCJ nach Deutschland ein.
Im Mutterhaus der St. Anna Schwestern von Ellwangen fand die gemeinsame und außerordentliche Sitzung der zwei Generalkapitel statt (1. – 2. September 1975), in deren Verlauf beschlossen wurde:
1. Die Wiedervereinigung zu verwirklichen, mit folgenden Schritten:
2. Ein Referendum unter allen Mitgliedern der beiden Institute durchzuführen (1976)[12]
3. Den Entwurf einer Lebensform auszuarbeiten (1977-1978),
4. Ein gemeinsames Generalkapitel zu feiern (1979). Die Nachmittagssitzung ging mit einer historischen Abstimmung für die Wiedervereinigung zu Ende: von den 55 FSCJ Anwesenden stimmten 55 mit placet; von den 18 MFSC Anwesenden stimmten 17 mit placet, mit einer Enthaltung.
Am 2. September 1975 nachmittags fand auf dem Hügel von Josefstal (Ellwangen) in festlicher Stimmung die „Beerdigung“ eines Sarges namens „Teilung“ statt und eine robuste Eiche namens „Wiedervereinigung“ wurde gepflanzt. Die beiden Generaloberen G. Klose und T. Agostoni warfen Erde auf den Sarg und auf die Wurzeln der Eiche.
Noch ein anderes Bild von jenem strahlenden Nachmittag ist in meinem Gedächtnis lebendig geblieben: Ein alter, über das ganze Gesicht strahlender und mit Beifall bedachter Mitbruder stand in unserer Mitte: Bruder Augusto Cagol (96 Jahre alt), aus Westfalen in Deutschland. Er war 1900 in Brixen eingetreten und begleitete dann Mons. Geyer als Sekretär nach Khartum. Der Bruder hatte immer ganz offen die Wiedervereinigung herbeigesehnt. An jenem Nachmittag erlebte er sie schon ganz nahe, aber leider starb er 1977 im Alter von 98 Jahren.
Das gemeinsame, allgemeine und besondere Generalkapitel begann am 22. Juni 1979, am Herz-Jesu Fest mit der Verlesung und Approbation des Wiedervereinigungsdekrets der Propaganda Fide. Das Kapitel erarbeitete die neue Lebensform, approbierte den neuen Namen Comboni-Missionare vom Herzen Jesu (MCCJ) und wählte einen gemeinsamen Generaloberen und Generalrat.[13] Nach 56 Jahren war das Ziel der ersehnten Einheit erreicht. Die Wiedervereinigung ebnete den Weg zur Selig- und Heiligsprechung von Comboni, 1996 beziehungsweise 2003.
Die spanische Provinz begrüßte die Wiedervereinigung mit Begeisterung und sogar mit Vorwegnahme, während die peruanische Gruppe der MFSC Widerstand anmeldete, bis dann schließlich doch eine einheitliche peruanische Provinz errichtet wurde. Heute arbeiten in Peru an die 60 MCCJ von 14 Nationalitäten; eine Reihe von peruanischen Comboni-Missionaren arbeitet in der Mission und einer ist kürzlich zum Bischof von Tarma ernannt worden.
Andreas Riedl und Enrico Farè: Pioniere in Spanien, leidenschaftliche Förderer der Wiedervereinigung
Auf dem Weg zur Wiedervereinigung der beiden Kongregationen taten sich innerhalb ihrer Gemeinschaften einige Vorkämpfer hervor. Zu ihnen gehörten die Patres Andreas Riedl (MFSC, Österreicher) und Enrico Farè (FSCJ, Italiener), Pioniere der combonianischen Gründungen in Spanien in den sechziger Jahren.[14]
Andreas war 20 Jahre alt und Scholastiker in Brixen als 1923 die Teilung der beiden Institute verkündet wurde.[15] Er war darüber tief betroffen. Er kannte die Gründe nicht, aber empfand die Teilung als einen Angriff auf die Nächstenliebe und fragte sich: “Was haben denn die Oberen gemacht?!” Als er in Peru als Missionar wirkte, hörte er seinen Mitbruder P. A. Ipfelkofer, einer der Wortführer der MFSC und während der Zeit der Trennung Missionar in Khartum, vor seinem Tod 1948 sagen: “Die Teilung ist ein großer Fehler gewesen. Man wird sie rückgängig machen müssen“. P. Riedl nahm diesen letzten Willen als seine Lebensaufgabe an. Im Kapitel 1955 schlug er vor, dass die MFSC in Spanien eine Niederlassung gründen sollten, um Priester für Lateinamerika auszubilden.
1960 eröffnete P. Riedl und andere MFSC in Spanien ein Knabenseminar in Saldaña und kauften eine Landwirtschaft im 60 km entfernten Palencia. Einige Jahre früher hatten 1954 die FSCJ in San Sebastián/Spanien ein Haus gemietet (für die Zeitschrift Aguiluchos), in Corella (Navarra) ein Knabenseminar gebaut und in Madrid den Provinzsitz errichtet. Damit wirkten die zwei Gruppen im gleichen Land, nur einige hundert km voneinander entfernt, ohne sich zu kennen, ohne eine gemeinsame Planung. Die Vorsehung aber bereitete bereits zukünftige Begegnungen vor.
1959 kam der größte Stratege nach Spanien (von Italien, Sudan und Mexiko), der für die Ausbreitung der Comboni-Missionare sorgte: P. Farè. In Madrid gründete er die Zeitschrift Mundo Negro (1960), begann mit der Missionarischen Bewusstseinsbildung und errichtete an strategischen Orten Ausbildungshäuser. Die spanischen Comboni-Missionare betrachten mit Recht die beiden Patres Riedl und Farè als “Gründer” der spanischen Provinz. Groß war ihre Leidenschaft für Christus, Comboni und die Wiedervereinigung. Sie animierten die Mitbrüder, versuchten sie zu überzeugen, nahmen Schritte vorweg, bauten Schwierigkeiten ab, verbreiteten Botschaften und gaben diese Werte an die in der Ausbildung stehenden jungen Mitbrüder weiter. Die beiden konnten mit der aktiven Mitarbeit ihrer Gruppe rechnen.
Die Kontakte begannen etwas zaghaft ganz unten, mit persönlichen Initiativen, die aber zusehends häufiger und herzlicher wurden. Die Mitglieder der Hausgemeinschaften von Corella, Moncada, Palencia, Saldaña und Madrid besuchten sich gegenseitig. Auf diese Weise verschwanden viele Vorurteile und nahmen gegenseitige Achtung und Zusammenarbeit zu. Die jungen Spanier konnten mit einer geerbten Teilung, die aus Deutschland und Italien eingeführt worden war, nichts anfangen. Sie betrachteten sie als ein Ärgernis erregendes Hindernis. Sie fühlten sich als “spanische Comboni-Missionare”. Das genügte um zu arbeiten und Verwirrung in der Berufswerbung und bei Sammelaktionen zu verhindern. „Die Wiedervereinigung wird von Spanien kommen“, hörte man damals öfters in Ellwangen und Rom.
Bei den Kapiteln von 1967 und 1969 versuchten Riedl und Farè ihre Gruppen zur Einheit zu führen. In Spanien wurden weitere entscheidende Schritte unternommen: Die Zusammenlegung der Noviziate und Scholastikate in Moncada (Valencia) und Austausch von Erziehern und Studenten in den Seminaren; einstimmige Wahl und Errichtung der vereinigten spanischen Provinz (vor 1979). Riedl war überzeugt, dass selbst wenn die Präsenz der beide Institute in Spanien nur zur Wiedervereinigung beigetragen hätten, ihre Gründung ihren Zweck erfüllt hätte.
Wie duftender Weihrauch
P. Andreas trug in doppelter Weise zur Wiedervereinigung bei: durch sein ständiges Fürbittgebet für die Einheit und durch seine brüderlichen, persönlichen Beziehungen. Ich arbeitete damals in Madrid. P. Riedl beteuerte mir öfters mit Tränen in den Augen, dass er für die MFSC ohne Wiedervereinigung keine Zukunft sehe: “Es geht für uns um Leben oder Tod“. Er fügte aber voller Hoffnung hinzu: „Wenn wir uns vereinen, werden wir weiterleben und den besonderen Segen des Herzens Jesu erhalten“.
Er flehte um die Wiedervereinigung, wenn er bei der Messe den Leib und das Blut Christi emporhielt. Mit Vorliebe betrachtete er den gekreuzigten Christus: Er vereinigte die beiden Völker und riss die trennende Wand der Feindschaft in seinem Fleisch nieder, um die zwei in sich zu einem neuen Menschen zu machen (Eph 2, 13-18). Sein Beitrag ist ein Gott wohlgefälliges Opfer geworden. Er freute sich über jeden Schritt auf dem Weg zur Wiedervereinigung. Er erlebte wie Moses den “Berg Nebo” (vgl. Dt 34,1-5) in der Gemeinschaft von Brixen, wo er im Januar 1974 im Alter von 71 Jahren starb.
Abschließende Überlegungen
1. “Die ansteckende Pest” des Nationalismus – Die Teilung legte die unheilvollen Folgen der rassistischen und nationalistischen Vorurteile, der Überlegenheits- und Minderwertigkeitskomplexe offen… Solche Gefühle verunreinigen die Beziehungen und beeinträchtigen den Glauben und die Mission. Mit Recht hatte Papst Benedikt XV. in seiner Missionsenzyklika Maximum Illud (30. November 1919) die Missionare auf den Nazionalismus aufmerksam gemacht, den er als “ansteckende, zerstörerische Pest“ (apostolatus pestis teterrima) bezeichnet hatte. Comboni betonte: “Das Werk soll ein katholisches sein, nicht ein spanisches oder französisches oder deutsches oder italienisches”.[16] Sein Institut hatte bereits zwölf Jahre nach seiner Gründung Mitglieder aus zwölf Nationen und drei Kontinenten.
2. Wiedervereinigung, Aufgabe von Vielen – Aus dem Prozess der Teilung und Wiedervereinigung geht klar hervor, dass die Trennung das Werk einer kleinen Gruppen von Oberen in Verona war, hingegen die Wiedervereinigung das Ergebnis eines langen Weges, zu dem viele Comboni-Missionare beiderseits beigetragen haben.
3. Lebensform – Eine kostbare Frucht der Wiedervereinigung ist unsere Lebensform und unser neuer Name MCCJ, die wir als Geschenk des Herzens-Jesu und unseres Gründers schätzen. Jeder hat auf seine Weise die Lebensform aufgenommen und bemüht sich, sich an dieser Quelle zu inspirieren, um sich mit Christus und dem missionarischen Dienst zu identifizieren.
4. Dynamische Einheit – Die Einheit ist kein statischer Wert und kein rechtliches an die Vergangenheit gebundenes Ereignis; sie ist vielmehr eine Pflanze, die wächst, sich entwickelt und jeden Tag Wasser benötigt, so wie die Liebe ohne neue Motivationen nicht auskommt. Einheit ist eine Aufgabe, die nie abgeschlossen ist und für immer größere Herausforderungen offen sein muss. Nur dann kann sich der Ruf des hl. Augustinus “O glückliche Schuld!” mit dem Gesang seines Meisters Ambrosius vereinen: “O glückliche Zerstörung, wenn durch den Wiederaufbau das Gebäude schöner dasteht!”.
Romeo Ballan, mccj
Fragen für eine Reflexion
1. Die Nationalismen und rassistischen Vorurteile haben die zwischenmenschlichen Beziehungen ausgehöhlt und so die Teilung des Instituts verursacht. Nachdem nun unser Institut für viele Kulturen zur Heimat geworden ist, inwieweit stellen wir unsere kulturellen Vorurteile in Frage?
2. Welche Haltungen schaden dem Dialog in der Gemeinschaft und in der Mission?
3. Die Einheit ist ein dynamischer Wert, der “immer für neue Herausforderungen offen ist”. Auf welchen gemeinsamen und unverzichtbaren Werten ist unsere Gemeinschaft aufgebaut? Wie und in wessen Namen überwinden wir unausweichliche Konflikte innerhalb der Gemeinschaft?
4. Comboni und die Leidenschaft für die Mission sind die zwei Beweggründe für die Wiedervereinigung der beiden Institute gewesen. In wie weit lassen wir uns in unseren täglichen Entscheidungen vom Gefühl der Zugehörigkeit inspirieren?
Übersetzung: P. Alois Eder, mccj, Ellwangen
[1] Es gibt noch keine historisch umfassende Studie über die Wieder-vereinigung; wir haben nur Teilstudien.
[2] Vgl. Gili Aldo, Historia del instituto misionero comboniano, …Madrid1984, S. 135.
[3] Siehe Reinhold Baumann, Geschichte der Deutschsprachigen Comboni-Missionare, Ellwangen 2009, S. 448.
[4] P. Meroni (1873-1939), Islamexperte, Missionar mit Geyer in Khartum. Als Generaloberer (1919-31) sorgte er für die Ausbreitung der Comboni-Missionare in Italien, gründete den Piccolo Missionario und das Bulletin, und begann den Seligsprechungsprozess von Comboni (1927).
[5] Cfr. Libro Capitolare I - 1899-1940, in ACR C/271/1, p. 80.
[6] Die “politischen Umstände”: gemeint waren die noch immer internierten deutschsprachigen Missionare in Ägypten.
[7] Cfr. Acta Apostolicae Sedis, anno XV, vol. XV, settembre 1923, n. 9, pp. 467-468.
[8] Der Österreicher P. Artur Nebel und einige andere optierten für die FSCJ.
[9] Cfr. La voce della Congregazione. Raccolta delle lettere circolari…, pp. 43-48.
[10] Arcadio Larraona, spanischer Claretiner, Jurist und Freund von P. Maroto, Kardinal (1959), Präfekt der Kongregation für Selig- und Heiligprechungen.
[11] P. G. Battelli, Generalvikar der FSCJ, und P. A. Fink (MFSC), Hausoberer in Rom.
[12] Für die Wiedervereinigung stimmten: 86% der MFSC und 95,7% der FSCJ. 75% war das von der Propaganda Fide geforderte Minimum.
[13] Zwischen 1979 und 1980 traten fünf MFSC Patres mit Erlaubnis des Heiligen Stuhles in den Dienst einer Diözese. Nur einer verliess die Kongregation, weil er mit dem Modus der Wiedervereinigung nicht einverstanden war.
[14] Vedi: GONZÁLEZ NÚÑEZ JUAN, Misioneros Combonianos en España. 50 años de historia, ed. Mundo Negro, Madrid 2004, pp. 286.
[15] Vedi: BALLAN ROMEO, Taita Andrés. Misionero comboniano tirolés en Alemania, España y Perú, Madrid 2013, pp. 495.
[16] Cfr. COMBONI D., Scritti, n. 944.