"Mut für die Gegenwart und vor allem für die Zukunft"
Liebe Mitbrüder!
Ich wende mich mit diesem Brief an Euch mit keinem anderen Vorwand, als Euch das mitzuteilen, was ich persönlich empfinde und das, was ich von Euch in den Begegnungen und Kontakten gehört habe. Ich schreibe auch voller Dankbarkeit gegenüber dem Herrn für das, was unsere Comboni Familie ist und tut.
Ich schreibe, um uns mit vertrauensvollem Optimismus zu hinterfragen, ohne aber die Probleme, die unser Leben als Missionare und Ordensleute betreffen, zu unterschätzen.
Mit Optimismus und Dankbarkeit machen wir uns gemeinsam auf den Weg zum Zwischenkapitel (Assamblea Intercapitulare). Dabei bitten wir Gott, dass dieses Treffen im September 2006 eine Zeit der Gnade für das Institut und die Mission werde.
Mit dem Optimismus Combonis
Beim Schreiben erinnere ich mich an einige Gedanken Combonis, die wir in seinen Schriften finden. Es sind Gedanken, die wir schätzen, nachahmen und leben müssen.
Es sind Gedanken des Dankes seinen Missionarinnen und Missionaren gegenüber und der Hochschätzung ihrer Arbeit. Comboni ist stolz auf seine Mitarbeiter und zufrieden mit ihrer Arbeit: "Ich empfinde große Genugtuung, wenn ich sehe, dass alle Missionare und Schwestern immer froh, zufrieden und bereit sind, noch mehr zu leiden und zu sterben. Sie, die Männer wie die Frauen, sprechen vom Hunger, vom Durst, von den Krankheiten, vom Tod wie von schönen Dingen. Sie sind überzeugt, dass es, was den Verzicht und den Geist der Opferbereitschaft betrifft, in keiner Mission so tüchtige Missionare und Missionarinnen gibt wie in der meinen (S 6751).
Comboni vertraut auf Gott. Er schaut in die Zukunft mit Optimismus in der Überzeugung, dass das Werk, in dem er sich engagiert, von Gott gewollt ist. Schon von Anfang seiner Mission an schreibt er im Jahre 1866: "Ich habe volles Vertrauen in Gott. Eines weiß ich gewiss, der Plan ist Gottes Wille. Gott will ihn, um andere Werke seines Ruhmes vorzubereiten. Das, was ich auch noch als sicher weiß, ist die Tatsache, dass unter den Hindernissen, auf die ich stoßen werde, es auch schwierige Zeiten geben wird. (...) Außerdem weiß ich auch noch sicher, dass Gott mir ein unbegrenztes Vertrauen in ihn geschenkt hat, so dass ich das Werk nicht wegen irgend einem Hindernis aufgeben werde, und dass innerhalb nicht vieler Jahre ganz gewiss ein neues Zeitalter des Heiles für Zentral-Afrika anbrechen wird (S 1390).
Dieser Optimismus Combonis muss unsere Bewertungen und Planungen während des Zwischenkapitels begleiten.
Mit der ersten Liebe im Herzen
Unser Institut hat Seiten der Gnade, des Opfers und der Hingabe im Buch der Geschichte der Mission geschrieben. Die Vergangenheit des Instituts ist ein Stolz für Gott und Comboni. Gott ist mit unserem Institut zufrieden, aber er hat uns auch einiges zu sagen. Wir können symbolhafterweise einige Worte aus der Offenbarung benutzen, um uns bewusst zu machen, dass Gott das Werk des Instituts gesegnet hat und dass er uns zugleich auch zurechtweisen muss. "Ich kenne Deine Werke, sagt der Herr. Ich kenne deine Mühe und dein Ausharren. Du hast ausgeharrt und viel ertragen um meines Namens willen, ohne müde zu werden. Ich werfe dir aber vor, dass du deine erste Liebe verlassen hast. Bedenke, aus welcher Höhe du gefallen bist. Kehre zurück zu deinen ersten Werken" (Offb 2,2-5).
Der Herr sagt uns, es sei gut, zu der ursprünglichen Stärke zurückzukehren, zu jener Liebe, die einmal das Institut in schwierigen Zeiten getragen hat. Gemeint ist die Liebe und Hingabe an Gott und an seine Mission.
Beginnen wir also unser Nachdenken mit der Einladung des Herrn, mit Ernsthaftigkeit unsere Schwierigkeiten und Schwächen in den Blick zu nehmen, und mit Glauben Vorschläge des guten Willens und der Treue zum Combonianischen Charisma zu machen.
Schwierigkeiten und Gefahren
Die Gefahr besteht immer und es ist leicht, dass das Unkraut auch in unserer Zeit wächst. "Seid wachsam," sagt uns der Herr. Ohne den Optimismus zu verlieren, wollen wir uns mit realistischem Blick einige Typen dieses Unkrautes ansehen, das Wurzeln in unserer missionarischen Familie zu schlagen droht. Oder, um aktuellere Begriffe zu benutzen: Überprüfen wir einige Viren, die immer auf der Lauer liegen und bereit sind, unsere Mission anzugreifen.
1. Unzureichende Spiritualität
Es ist leicht, in die Falle des Atheismus zu fallen, d.h. ohne Gott zu arbeiten oder sich mit einer oberflächlichen Spiritualität zufrieden zu geben (vgl. KD 2003, 22). Es ist leicht, auf Sand zu bauen aber mit der Gefahr, dass alles vom ersten Wind weggefegt wird (Mt 7,24-27). Comboni sagt uns auch, dass es leicht sei "Personen zu sein, die sich vorschnell ohne Kopf und Verstand in die Arbeit stürzen" (S 4260).
Wir erinnern dazu an eine bedeutsame Episode im Markus Evangelium: "Die Jünger versammelten sich um Jesus und berichteten ihm alles, was sie getan und gelehrt hatten. Er aber sagte ihnen: Kommt mit an einen einsamen Ort, wo wir allein sind und ruht ein wenig aus. Denn sie fanden nicht einmal Zeit zum Essen, so zahlreich waren die Leute, die kamen und gingen" (Mk 6,31).
Vielleicht hat auch uns die hektische Arbeit schon so weit gebracht, dass wir keine Zeit haben zum Stillehalten, zum Nachdenken und zum spirituellen und theologischen Luft-Holen für eine Mission, die mehr dem Evangelium entspricht und effektiver ist. Das Gebet ist die erste Tätigkeit des Missionars. Gebet heißt, Gott in die Mitte unseres Lebens und unseres Apostolates stellen.
Beten und über das Wort Gottes nachdenken bedeutet, zulassen, dass unser Herz evangelisiert wird, um danach selber evangelisierende Personen zu werden.
2. Isolierung vom Leben des Instituts
Die individuellen und persönlichen Alleingänge (Vgl. KD 2003, 74,3) schwächen das Leben des Instituts und verraten die Werte der Ganzhingabe. Am Tage unserer Gelübde haben wir uns Gott in einer Gemeinschaft und mit einer Gemeinschaft geweiht. Aber es ist extrem leicht, die Gott und den Menschen gemachten Versprechen zu vergessen.
Das individualistische Verhalten geht auch gegen den Wunsch Combonis, der uns in einem missionarischen Coenaculum der Brüderlichkeit haben wollte. "Zusammen ausstrahlen, gemeinsam Wärme geben, zusammen offenbaren, zusammen evangelisieren", das war der Traum Combonis. Zusammen meint für Comboni nicht eine Gruppe von Personen, sondern eine Familie von Brüdern und Schwestern, die für dieselbe Liebe leben: Die Mission Gottes (vgl. KD 2003, 74,4).
Das Coenaculum (vgl. KD 2003, 35,3) ist ganz klar nicht eine Gruppe, die notwendigerweise physisch beisammen ist, sondern eine apostolische Familie, die die Mission mit demselben Herzen und derselben Begeisterung liebt.
3. Sträuben gegen Erneuerung
Sich erneuern ist Gnade für die Mission (vgl. KD 2003, 51). Weiterbildung heißt, die Mission lieben. Ein müder Missionar, der sich nicht erneuert und sich nicht zurückzuziehen versteht, verhält sich ungerecht gegen die Mission und das Volk Gottes.
Der Tag des Sabbat war ein Tag der Intimität. Es war nicht der Tag, an dem man nichts tat; es war der Tag, an dem einer sich seinen Lieben widmete, es war der Tag des vertrauten Umganges mit Gott im Gebet.
Eine Sabbatzeit, die gut geplant und bewusst gelebt wird, bedeutet, sich Freiräume zu schaffen für sein eigenes geistliches Wachstum, für den vertrauten Umgang mit Gott, mit den Mitbrüdern, mit der Mission.
4. Messianischer Komplex
Die Allmacht und Allgegenwart sind Eigenschaften Gottes und nicht unsere. Wir müssen unsere Kräfte einteilen und unsere Einsätze neu überdenken. Auch die Zeit der großen, monumentalen Werke ist vorbei. Man muss wohl auch sagen, dass derjenige, der sich zu sehr den materiellen Werken widmet, Gefahr läuft, vielleicht der Person zu wenig Beachtung zu schenken.
Die großen Werke, auch wenn sie in der Vergangenheit notwendig waren, müssen in mitten der neuen Armutssituationen und der neuen Dringlichkeiten Raum lassen für flexiblere, notwendigere und akzeptablere Formen. Das heißt, wir müssen neue Modelle und Räume der diakonia erkunden. Dabei lassen wir uns leiten von dem Vorrang der Zusammenarbeit mit der Ortskirche und von den wirklichen Notwendigkeiten der Menschen, denen wir mit neuen Formen in allen Bereichen zu antworten versuchen.
5. Kultur - Komplex
"Wir befinden uns in einer neuen Geografie der Berufungen und stellen fest, dass uns damit das multikulturelle Zusammenleben geschenkt wird" (KD 2003, 17). Die Lebensform 162,1 erinnert uns daran, dass der größte Reichtum des Instituts die Personen sind. Gerade weil wir davon überzeugt sind und wir in diesem Sinne arbeiten wollen, können wir uns nicht der Pflicht entziehen, einige Verzerrungen anzuprangern, die bisweilen in diesem Bereich noch vorkommen, und die wir aus Bequemlichkeit dann mit dem Begriff Kultur-Komplex zusammen fassen. Zweifelsohne hat es in unseren Hausgemeinschaften Fehler gegeben und gibt es sie noch. Es gibt jedoch Mitbrüder, die sich all zu leicht in die Vergangenheit und ins Selbstmitleid flüchten. Die Vergangenheit wird zum Feld des Zusammenstoßes und der Klage, wenn nicht sogar bisweilen zu einer Begründung, "kontra" zu geben. Das bewirkt gegenseitiges sich Verschließen und Feindseligkeit. In so einem Klima wird der Bezug auf die eigene Kultur nicht als ein Moment des Aufbaus und des gegenseitigen sich Bereicherns verwendet. Vielmehr werden Rechte, Räume der Verantwortlichkeit und Aufgaben eingeklagt und bisweilen zweifelhafte Haltungen gerechtfertigt. Wir müssen Obacht geben (KD 2003, 74,4), denn all das hilft nicht, das Charisma in der Kultur zu verwurzeln noch die Kultur zum Charisma gehören zu lassen. Man schafft also keine Identifizierung und kein Zugehörigkeitsgefühl.
Es ist ein Bereich, den wir sorgfältig analysieren müssen, um die Aufmerksamkeit für die Person und ihre kulturelle Identität, die Schönheit und die Bereicherung der Kreativität der neuen Mitbrüder zu fördern und zu schätzen (KD 2003, 18). Zugleich ist es wichtig, auch das Unkraut zu identifizieren, das der in verschiedener Weise gesät hat, der die Kultur benützen möchte, um sich selbst nicht in Frage stellen zu lassen, oder, was noch schlimmer ist, um seine eigenen bequemen Wege zu gehen. Die "geheiligte" Kultur ist Zeichen von anderen Übeln, die erkannt und geheilt werden müssen.
Die "kulturelle Erhabenheit" (Überlegenheitsgefühl) setzt dann der engagierten Antwort der Person gegenüber Gott und der Mission Grenzen.
6. Tendenzen zur leichten Mission
Es gibt da ein Combonianisches Spezifikum: Die vorrangige Mission unter den Ärmsten der Armen. Es ist traurig zu sehen, dass es noch die Tendenz gibt, der schwierigen und dringenden Mission auszuweichen. Wir stellen auch eine Flucht aus gewissen schwierigen Gebieten fest, vor allem in Afrika, indem man an eine leichtere Mission denkt. (vgl. KD 2003, 36-27).
In schwierige und opferreiche Missionen zurückzukehren, heißt, das Charisma Combonis leben. Mission ist auch Treue zum Ort und Treue zur Zeit. Nur all zu leicht entfernt man sich für längere und nicht gerechtfertigte Zeiten von seinem Arbeitsplatz. Wir stellen auch eine geringe Bereitschaft fest, dorthin zu gehen, wohin man geschickt wird oder wo eine dringende Notwendigkeit besteht. Der falsche Dialog führt immer dazu, sich selbst den Platz in der Mission zu wählen und wenig bereit zu sein, sich dorthin schicken zu lassen, wo man glaubt, dass Dringlichkeit herrscht. Sich "die Mission" auszuwählen, ist nicht immer ein Recht. Es könnte auch ein Zeichen persönlicher Bequemlichkeit sein in einer egoistischen Interpretation der Aufmerksamkeit für die Person.
7. Schwäche im Gehorsam
Es wurde festgestellt, dass in den Kapitelsdokumenten 2003 das Wort Gehorsam fehlt. Trotzdem spricht der ganze Ton der Dokumente von Gehorsam im Sinne des Evangeliums: Gehorsam gegenüber Gott, Gehorsam gegenüber der Mission, Gehorsam gegenüber der Hausgemeinschaft, Gehorsam gegenüber der eigenen Berufung, Gehorsam gegenüber den Armen, Gehorsam gegenüber den Oberen und Gehorsam gegenüber dem Gehorsam.
Wem heute das Amt der Leitung aufgetragen ist, der hat einen schweren und unangenehmen Dienst zu erfüllen. Aus diesem Grund braucht derjenige, der den Dienst der Leitung ausübt, Kreativität, Zusammenarbeit und Verantwortungsbewusstsein von Seiten aller.
In anderen Worten, wir alle müssen wachsen im Geist des Gehorsams, der Comunio und in dem Zugehörigkeitsbewusstsein zur Provinz / Delegation, zum Institut und zur Mission. Wir alle sind gerufen, den Gehorsam in einer konkreten und reifen Weise zu leben; dabei werden wir Haltungen des Individualismus, der persönlichen Interessen oder der Selbstgenügsamkeit vermeiden, die bisweilen die einzige Absicht haben, den "Oberen zu bestrafen".
Den Grad der Reife eines Geweihten (Ordenschristen) kann man erkennen an seiner Fähigkeit zum Gehorsam, zur Comunio und zur Zusammenarbeit mit den Mitbrüdern und der Gemeinschaft. Gehorchen heißt, sich schenken zum Wohle aller. Das Gegenteil von Gehorsam ist nicht Ungehorsam, sondern das Fehlen von Vertrauen, von Hingabe, von Verantwortungsbewusstsein. Es ist fehlende Reife der Berufung, und vor allem fehlende Gegenwart im Coenaculum der Apostel.
8. Armut auf bequeme Art
Einfacher Lebensstil und Nähe zu den Armen sind die am meisten betonten Themen in den Kapitels Dokumenten. (Vgl. KD 2003, 34-36). Unser Geweiht-Sein lässt uns das wählen, was Christus gewählt hat, nämlich Solidarität, Verfügbarkeit, Vertrauen in die Vorsehung, und Nähe zu den Letzten und Vergessenen. Wir dürfen nicht vergessen, unsere Verkündigung geschieht in einer konkreten, von Spaltungen zerrissenen Welt, in einer Welt, in der der Graben zwischen den Reichen und Armen immer größer wird.
Deshalb ist es lebenswichtig, unsere Armut und unseren Lebensstil zu hinterfragen. Dabei werden wir jenes Modell der Missionsarbeit vermeiden, das uns mit viel Geld umgehen lässt, von dem ganz frei zu bleiben sehr schwierig ist.
In Treue zu unserem Gelübde der Armut und unserem Charisma müssen wir uns auch vor einem gewissen bürgerlichen Geist und dem Konsumdenken hüten, das die Gesellschaft von heute uns ständig vorgaukelt.
Wir müssen uns hüten vor einem Lebensstil, der sich dann negativ auf die Verfügbarkeit auswirkt, der uns verführt, Sicherheiten und Gewohnheiten aufzugeben, das Weite zu suchen und in irgend eine Mission zu gehen. Wir müssen uns hüten vor einem Lebensstil, der das Risiko der Widersprüchlichkeit in sich birgt, nämlich unter den Armen mit der Sicherheit der Reichen zu leben.
PRIORITÄTEN - DRINGLICHKEITEN – ANTWORTEN
Wir stellen einige Dringlichkeiten und Prioritäten vor, die das 16. Generalkapitel und der Generalrat erkannt haben. Es handelt sich um Prioritäten, die auch auf Provinz-, Delegations- und Kontinentalebene erkannt wurden. Die Prioritäten können zu Visionen und Vorschlägen führen, die wir gemeinsam prüfen möchten. Die Prioritäten zeigen das Bedürfnis nach Erneuerung, nach Neugeburt. Es ist klar: Erneuern bedeutet nicht, etwas reparieren oder neue Flecken auf alte Kleider setzen. Jede Erneuerung, jede Neugeburt verlangt den Bruch. "Bruch, das ist ein Wort, das mit Angst beladen ist für den, der die Normalität, den Status quo bewahrt, weil da ein irrtümlicher Vergleich zwischen Brechen und Zerstören vorhanden ist. Bruch steht nicht für die Nicht-Kontinuität, sondern für die Suche nach einem anderen Aktionsplan. Fähigkeit zum Bruch bedeutet Fähigkeit, etwas neu geboren werden lassen" (Testimoni, Nr. 12, 2004).
In anderen Worten: nicht die Wurzeln der Pflanze abschneiden, sondern beschneiden, um reichlicher Frucht zu erhalten.
Wir geben einige Anregungen über die Dringlichkeiten und Prioritäten, die wir für wichtig halten mit der einzigen Absicht, die laufenden Überlegungen in allen Provinzen, Delegationen und Kontinenten zu fördern.
9. Von Weisheit geprägtes Lesen
Es ist Zeit, den Weg der letzten Jahre bewusst zu überdenken. Deshalb hat die Rückkehr zum Wort Gottes, zum Evangelium und zur Lebensform Priorität (vgl. KD 2003, 52,1). Die Probleme und Herausforderungen sind all zu groß, als dass man die Antwort nur in einer Auswertung, in einem Überdenken finden könnte, das ausschließlich von einer psychologischen, soziologischen und menschlichen Prüfung ausginge. Wir müssen uns zusammen mit dem Evangelium eine Ruhepause gönnen, die uns hilft, noch mehr in die Tiefe zu gehen.
Alle Institute haben ein Überdenken begonnen und versuchen eine Erneuerung, ein Aggiornamento. Alle haben Pläne gemacht und die Regeln neu geschrieben, Dokumente verfasst für alle Bereiche. Aber wir stehen noch in einem Moment der Unsicherheit und des Unbehagens. Die Normen und die Generalkapitel müssen noch besser verinnerlicht werden. Wir müssen noch tiefer gehen. Die Lebensform oder ein Generalkapitel verinnerlicht man nur, wenn man das Evangelium annimmt. Der Weg geht nicht von der Lebensform oder einem Generalkapitel zum Evangelium, sondern umgekehrt.
10. Spirituelle Überprüfung
Wir alle wollen Gott immer wieder ins Zentrum des Ordensleben stellen, damit das Ordensleben den Blick auf das Evangelium frei gebe. Wir alle wollen uns regenerieren, indem wir uns an das Wort Gottes und an die wahre theologische und spirituelle Tradition halten. Der wahre Apostel sucht eine Spiritualität, die Sehnsucht nach Heiligkeit in uns weckt. Die wahre Heiligkeit entsteht aus der Mission und wandelt sich in ein Geschenk für die Mission (vgl. KD 2003, 54.1).
Natürlich sind viele Dinge, auch wenn sie eine glorreiche Vergangenheit hatten, an der Endstation angelangt, deshalb müssen wir eine Phase der Erneuerung unserer Spiritualität beginnen, d.h. Christus und das Evangelium als einzige Begründung des Lebens und des Apostolischen "Dienstes" wählen. Gott will dieses Institut an sich binden, er will es ganz für sich für eine spezifisch combonianische Mission (Vgl. KD 2003, 54.2-4).
11. Überprüfung der Einsätze
(vgl. KD 2003, 30.1-2)
Das proportionale Gefälle zwischen Einsätzen und Personal besteht weiter und wird täglich bedrückender. Die Aufgaben gehen schon seit längerem über unsere Kräfte. Der Prozess der Revision und Überprüfung ist unumkehrbar und muss in unseren Planungen Vorrang haben.
Eine Aufgabe, die nicht aufgeschoben werden darf, ist eine Neuplanung des Instituts, der Provinzen und der Delegationen; wir müssen unsere Präsenzen in Übereinstimmung mit unserem Charisma und nach den Entscheidungen und Kriterien, die das 16. Generalkapitel gegeben hat, neu ausrichten und orientieren.
12. Gemeinschaftsleben
(vgl. KD 2003, Kapitel IV).
Die Gemeinschaft ist nicht unser Werk, sondern das Werk unseres Gottes. Sie kann nur angenommen werden als Geschenk. "Wer aus ihr ein eigenes Projekt macht, zerstört die Gemeinschaft anstatt sie aufzubauen". (Bonhoeffer).
Zulassen, dass das brüderliche Leben den Individualismus fördert, heißt, den Tumor im Fleisch des Instituts wachsen lassen und es zum Tode verurteilen.
Ein Ordensmann, der sein Leben allein regelt, der immer dem brüderlichen Tisch fern bleibt, der nicht am Austausch und an der Eucharistie teilnimmt, entfernt sich von der Fruchtbarkeit seiner eigenen Berufung.
Die missionarische Kirche braucht lebendige Gemeinschaften, die eine Aufforderung an die Gnade sind, gemeinsam zu leben. Das missionarische Leben wird in der Comunio und in der Einheit neue Wege finden, auf die es sich einzulassen lohnt.
13. Ausbildung
(Vgl. KD 2003, 63-64)
Wir meinen, dass die Zeit gekommen ist, unser Ausbildungssystem komplett zu überprüfen. Wir glauben, dass unser Ausbildungssystem nicht mehr den neuen Erfordernissen entspricht und neue pädagogische und Evangeliums gemäße Strategien braucht.
Das Ausbildungssystem ist nicht in der Lage, eine Antwort auf die Probleme zu geben, die das Zusammenleben von Menschen aus verschiedenen Kulturen mit sich bringt. Konkrete Anzeichen sagen uns, dass das Institut in die jungen Menschen glauben und sie besser qualifiziert auf einen Missionseinsatz vorbereiten muss.
Die Ausbildung muss glaubende Menschen hervorbringen, die an Gott und sein Evangelium glauben, die an den Menschen und seine Kultur glauben, die an die Mission als einzigartige Leidenschaft des Lebens glauben, die an den Traum Gottes glauben, jenen Traum, der befähigt, kreativ und wagemutig zu sein, der herausfordert und fähig ist, sich voll und ganz zu geben.
14. Internationalität
Es ist ein Weg der Gnade, den wir weitergehen müssen (Vgl. KD 2003, 52,5). Es ist ein unumkehrbarer Weg, der uns verpflichtet, mit Dankbarkeit das Geschenk Gottes anzunehmen, das er uns in den Mitbrüdern macht. Sie sind ein Reichtum für das Institut, dessen Wachstum wir fördern und die wir schrittweise zur Übernahme von Verantwortung in allen Bereichen hinführen. Die Internationalität ist eines der Zeugnisse, welches die Welt von heute in besonderer Weise braucht.
Natürlich könnte diese Gnade der Internationalität, wenn sie nicht gut gepflegt wird, in eine bedrückende Last umschlagen. Wir müssen von vornherein festhalten, dass Internationalität nicht ein Mittel ist, um die Zahl der Mitglieder zu erhöhen oder das Institut vor dem Aussterben zu retten. Echte Internationalität wird nicht in die Überlegungen zum Überleben einbezogen. Ein Institut wächst nicht nur mit den Zahlen, sondern mit der Qualität. Ein Institut kann auch aussterben. Wichtig ist, dass es seine Mission gut erfüllt hat. Internationalität muss auch ein Symbol der Dreifaltigkeit sein, Unterschied und Gleichheit zur selben Zeit. Das "congregavit nos in unum" wird zu einer Schule der Liebe, der Brüderlichkeit und der Mission im Sinn des Evangeliums. Das internationale Gemeinschaftsleben geht gegen die Sünde des Turmes von Babel an, d.h. gegen das Verneinen der Verschiedenheit, der Pluralität. Es ist Sünde, sich in eine einzige Sprache oder Kultur zu verschließen, um der Mühe, Verschiedenheit zu leben und Verschiedenheit zu verstehen, aus dem Weg zu gehen. Internationalität muss Pfingsten werden, d.h. das Feiern der Verschiedenheiten zusammen geführt in einem Geist. Internationalität zu leben, ist nicht einfach. Wir müssen mit dem Bewusstsein leben, dass der andere immer anders sein wird. Als solchen müssen wir ihn lieben. Sich lieben heißt, die Brüderlichkeit leben, auch wenn es uns nicht gelingt, den anderen ganz zu verstehen.
Es ist eine Herausforderung, so wie es eine Herausforderung ist, die Zukunft des Institut zu lieben und zu leben, d.h. ein völlig neues Institut, dessen Berufungen aus anderen Ländern kommen und zu dem neue Generationen hinzu kommen.
15. Dienst der Leitung
Alle sind wir aufgerufen, das Institut zu koordinieren. Wir müssen uns gegenseitig helfen, an das Wohlergeben des ganzen Instituts zu denken und es vermeiden, uns in der eigenen Provinz oder Delegation zu verschließen und uns an lokalen Problemen zu verbeißen, die manchmal nur unbedeutend und vorübergehend sind. Die Provinz- und Kontinental-Räte sind die "wachsamen Augen und das offene Herz" für den wahren Weg, den das Institut zu gehen hat. An diesem Punkt fühlt der Generalrat die Notwendigkeit, sich auch noch öfter mit allen Provinz- und Delegationsobern zu treffen und denkt daran, sie noch einige Male mehr zusammen zu rufen.
Wir können uns nicht darauf beschränken, nur einem Generalkapitel beizuwohnen, um die Probleme zu lösen. Das Sich-Treffen ist von größter Wichtigkeit, denn gemeinsam können wir ständig die Wirklichkeit ergründen, bewerten und betrachten und neue Ziele aufstellen.
Der gegenwärtige Leitungsstil zwingt uns, große Veränderungen im Selbstverständnis und in den Prioritäten, in der Mitverantwortung und der Planung vorzunehmen. Wir werden nicht mehr Wächter der Disziplin und Befürworter der Unterwerfung sein, sondern Hilfestellung bei der Leitung und Entscheidungsfindung geben (vgl. KD 2003, 99.5). Wir werden nicht mehr lenken, um Normen, Gesetze und Traditionen zu retten, sondern zu mutigen Initiativen motivieren; wir möchten Garanten eines effektiven Dialogs werden, an dem Teilnahme möglich ist und der nicht vom Zentralismus oder von oben herab abgewürgt wird. Zusammen können wir fähiger werden, Risiken der Prophetie und weiser Kreativität einzugehen.
Die Gebrechlichkeit, an der wir in allen Bereichen leiden, kann zum Schoße großer Fruchtbarkeit werden. Wenn wir in diesen schwierigen Situationen des Umbruches geeint bleiben, können wir uns für neue Zeiten der Gnade für die Mission vorbereiten.
16. Ratio Missionis: Alle gemeinsam unterwegs
Der Prozess der Ratio Missionis, der schon in Gang gekommen ist, will genau dieser weise Blick auf das Lebens des Instituts, seiner Aktivitäten und der verschiedenen Bereiche sein, in denen wir uns bewegen. Man hat von einem Generalkapitel zum anderen sehr viel gearbeitet, aber die Erneuerung ist nicht zustande gekommen. Im Gegenteil, es gab sogar einen Ungehorsam gegenüber den Generalkapiteln. Und der Ungehorsam in den vergangenen Jahren kommt uns teuer zu stehen. Woran liegt das ? Vielleicht liegt es daran, dass gewisse Prozesse einen langsamen Verlauf nehmen und deshalb einfach Geduld notwendig ist. Oder es liegt daran, dass wir in manchen Dingen versagt haben und deshalb eine Korrektur der Route notwendig geworden ist. Jedes Generalkapitel macht klinische Analysen. Seit geraumer Zeit stellen wir fest, dass bei jedem Generalkapitel die "gleichen klinischen Analysen" gestellt werden, die gleichen Krankheiten vorhanden sind. Man ist versucht zu folgern: entweder haben die Generalkapitel die Analysen nicht gut erstellt, d.h. sie haben die Krankheiten nicht richtig erkannt, oder die vorgeschlagenen Medikamente hatten keine Wirkung.
Wir sind uns alle einig, dass wir noch in der Zeit des Schweigens, des Hinhörens und des Nachdenkens stehen. Wir arbeiten natürlich auch weiter (uns würde ja etwas fehlen!), aber denken wir daran, dass jetzt nicht das Tun dasjenige ist, was zählt. Für jetzt zählt, zu verstehen, was Gott von uns allen zusammen will.
Die Ratio Missionis hat ein Ziel: Es geht nicht darum, ein Dokument zu erstellen, sondern nachzudenken, zu bewerten und uns auszutauschen. Das Ziel unseres Weges heißt, die Mission neu bestätigen, das Combonianische Charisma neu bekräftigen. Deshalb ist ein Blick auf die Basis wichtig, indem wir tiefer schauen und uns fragen: wer sind wir, wie viele sind wir, wo sind wir, was tun wir und wie tun wir das, was wir tun?
Die Ratio Missionis hat eine Methode: sie muss zu einem Prozess der missionarischen Weiterbildung in jeder Provinz / Delegation werden. Es ist wichtig, alle einzubeziehen, um unsere missionarische Spiritualität zu erneuern, um unserer Evangelisierungsarbeit ein Combonianisches Markenzeichen zu geben, um Contemplatio in unsere Actio, und Mission in unsere Ausbildung und Bewusstseinsbildung einzubringen.
Die kluge Betrachtung der Wirklichkeit, die wir mit Hilfe der Ratio Missionis vornehmen, könnte uns zu der Notwendigkeit führen, ein Spezielles Generalkapitel einzuberufen. Vielleicht sagt uns nach 35 Jahren der Heilige Geist, dass die Zeit gekommen sei, ein prophetisches Generalkapitel einzuberufen. Ein Generalkapitel, das uns dazu bringt, die Ärmel hoch zu krempeln, uns vor keiner Mühe und Arbeit zu scheuen, um zu "Veränderungen zu gelangen, die wirklich verändern". Häufig löst sich die Prophetie eines Generalkapitels aus Liebe zur Harmonie, aus Liebe zum wir haben es immer so gemacht in allgemeine Vorschläge, in lärmende Slogans auf, die aber mit der Wirklichkeit der Mission, den Leiden der Menschen und den wahren Notwendigkeiten des Instituts nichts zu tun haben.
So leben wir außerhalb der Geschichte weiter mit der Gefahr, in das lächerliche Spiel zu fallen, "alles zu ändern, um nichts zu ändern".
ZUSAMMENFASSUNG
Mission - das haben wir oft gesagt - heißt, ausziehen, Vorgehensweisen studieren, Methoden und Programme des Apostolats erneuern. Sie ist aber vor allem glauben. Aber glauben an wen, an was?
Glauben an Gott, der seine Apostel auswählt. "Nicht ihr habt mich erwählt, sondern ich habe euch erwählt und dazu bestimmt, dass ihr hingeht und Frucht bringt und eure Frucht bleibt". (Joh 15,16).
Glauben an unsere Berufung: Gott hat uns das Privileg der missionarischen Berufung geschenkt. Wir müssen also an Gott glauben, der an uns glaubt. Mit göttlicher Geduld hat er uns gezeigt, dass er uns braucht, um sein Werk in der Welt fortzuführen.
Glauben an die Mission, an den Dienst, der von uns erwartet wird, an die Aufgabe, die uns übertragen ist: Die Mission ist ein Dienst der Liebe und der Ganzhingabe: Keiner hat eine größere Liebe als der, der sein Leben für seine Freunde hingibt", (Joh 15,13).
Glauben an das Institut: Das Institut ist missionarisches Coenaculum von Aposteln vom Heiligen Geist gewollt; es ist "heilige Kraft für die Mission Christi". Das Institut ist Helfer des Heiligen Geistes, des Hauptakteurs der Mission. Deshalb hat es eine Berufung, die von Gott kommt, um die Kontinuität der Mission zu garantieren.
Liebe zum Institut ist also Liebe zur missionarischen Tätigkeit. Glauben an das Institut heißt, glauben an die Comunio der Provinz / Delegation, des Volkes Gottes und der Kirche.
Glauben an Comboni heißt, glauben an Comboni, der überzeugt war, dass sein Werk von Gott stammte. "Mein Werk wird nicht sterben", sagte er vor dem Hintergrund - menschlich gesehen - zerbrechlicher Zeiten, kurz vor seinem Tod und überzeugt, dass ein Werk Gottes mit Gott weiter gehen wird. "Der Apostel, - so schreibt Comboni - schwitzt nicht für sich, sondern für die Ewigkeit; er sucht nicht sein eigenes Glück, sondern das seiner Mitmenschen. Er weiß, dass sein Werk nicht mit ihm stirbt, dass sein Grab die Wiege neuer Apostel sein wird. Deshalb bemisst er seine Schritte nicht immer nach seinen Wünschen, sondern mit der notwendigen Klugheit, um den Erfolg des Erlösungswerkes zu sichern" (S 2171).
An Comboni glauben heißt nicht, ihn einfach nachzuahmen. Es gibt nur einen Comboni und man kann ihn nicht klonen. Und wir sind nicht gerufen, genaue Kopien eines großen Vorkämpfers der Evangelisierung zu werden. Comboni erwartete nicht, dass seine Missionare nach seinem Bild und Gleichnis wären. Er wollte nur Missionare mit einer glühenden Liebe. Wenn Comboni Liebe für die Mission sah, war er fähig, seine Gefährten zu entschuldigen und heilig zu sprechen (S 6851). Auch für Comboni forderte die Mission die Ganzhingabe ad vitam: "Der glücklichste Tag meines Lebens wird der Tag sein, an dem ich mein Leben für Euch geben darf" (S 3159).
Liebe Mitbrüder, ich möchte nicht einfach schreiben, sondern ich habe vor allem den einen Wunsch, ganz spontan mit Euch das zu teilen, was wir auch im Generalrat empfinden.
Als Generalrat befinden wir uns immer in der Haltung des Hinhörens und der Dankbarkeit für die Zusammenarbeit, die Anregungen und die Hilfe im Koordinieren, für den gemeinsamen Weg und das Leben des Instituts.
Möge der heilige Daniel Comboni uns begleiten und segnen, während wir dem Zwischenkapitel entgegen gehen. Möge unser Zusammentreffen im Zwischenkapitel im September 2006 eine Gnade für die Mission der Comboni Missionare werden.
Zusammen mit den Generalassistenten sende ich Euch herzliche und brüderliche Grüße
1 Januar 2006
P. Teresino Serra, mccj
Generalsuperior
P. Teresino Serra - 1 Januar 2006