Montag, 13. Januar 2025
Wie schon letztes Jahr habe ich keinen Adventsbrief, sondern einen Neujahrsbrief verfasst. Damals habe ich euch über die Grenze zu den Nuba Bergen in den Sudan genommen. Diesmal überschreiten wir wieder eine Landesgrenze, aber nach Palorinya/Uganda, wo wir unsere südlichste Mission der Provinz haben. (...)
Liebe Familie, Freunde und Bekannte, Comboni-Mitbrüder und -Schwestern,
Ich sende euch herzliche Grüße und Gottes Segen zum neuen Jahr!
Wie schon letztes Jahr habe ich keinen Adventsbrief, sondern einen Neujahrsbrief verfasst. Damals habe ich euch über die Grenze zu den Nuba Bergen in den Sudan genommen. Diesmal überschreiten wir wieder eine Landesgrenze, aber nach Palorinya/Uganda, wo wir unsere südlichste Mission der Provinz haben.
Der Bürgerkrieg, der im Dezember 2013 begann, fand zunächst im Norden und Osten des Landes statt. Als es nach drei Jahren absehbar war, dass es auch zu Vertreibungen im Süden des Südsudan kommen würde, brachten sich viele Menschen in Uganda in Sicherheit. Im Jahr 2017 waren es über 900,000; mittlerweile werden über 1,2 Millionen südsudanesische Flüchtlinge in Uganda gezählt. Viele von ihnen haben keine Perspektive auf Rückkehr, weil ihre Heimatregionen immer noch unsicher bzw. besetzt sind. Andere haben sich eine Existenz in Uganda aufgebaut und wollen nicht mehr zurück, selbst wenn sie es könnten, weil sie kein Vertrauen in die Zukunft des Südsudan haben. Eine gewisse Anzahl sind gar nicht geflüchtet, sondern von der UNO umgesiedelt und mit Bussen in Lager nach Uganda gefahren worden.
Das hört sich verrückt an und hat folgenden Hintergrund: Es gibt seit 2014 außerhalb Jubas ein Lager nur für die Nuer, dessen Angehörige die UNO damals vor Massakern schützen musste. Etwa 40,000 Nuer wurden dort angesiedelt. Die UNO hat das Lager vor einigen Jahren offiziell aufgelöst, aber die Leute wollen nicht wegziehen. Die Grundbesitzer, wo das Lager steht, haben die UNO deshalb auf Schadensersatz im sechs-stelligen Bereich verklagt. Um das Problem zu lösen, wird den Leuten angeboten, sich in Flüchtlingslagern in Uganda niederzulassen, wo es Nahrung und Schulbildung gibt. Ich habe zwei solcher Nuer Siedlungen in Uganda besucht mit insgesamt 4000 Menschen, also etwa 10% des Lagers in Juba. Was die UNO nicht versteht ist, dass für jede Person, die dort wegzieht, eine andere einzieht, denn das Lager in Juba ist eine willkommene Zwischenstation und Sprungbrett für viele. Flüchtlingslager in Afrika sind Teil einer Schattenwirtschaft, die oft nur noch wenig mit den ursprünglichen Gründen der Vertreibung zu tun hat.
2017 ist auch unsere Comboni-Gemeinschaft von Lomin/Südsudan nach Uganda „umgezogen“. Mit dabei war Bruder Erich Fischnaller aus Südtirol, der in Lomin einen Betrieb mit Werkstätten und verschiedenen Projekten aufgebaut hatte (St. Martin Workshop). Alle Maschinen und beweglichen Objekte wurden über die Grenze gebracht, bevor Milizen der Regierung das Gebiet einnahmen. Lomin ist nur eine halbe Stunde von der Grenze entfernt. Direkt auf der anderen Seite im Moyo District kaufte unsere Provinz ein Grundstück, um die Flüchtlinge in Palorinya zu betreuen und den St. Martin Workshop wieder aufzubauen.
Der St. Martin Workshop bietet eine Reihe von Aktivitäten, die einen Gewinn für die Arbeiter erwirtschaften, an. In allen Berufen (siehe Tafel auf dem Foto unten) werden junge Menschen ausgebildet. Die Ausbildungsplätze werden an Flüchtlinge und an die Lokalbevölkerung zu gleichen Teilen vergeben. Das fördert die Akzeptanz und den Zusammenhalt. Die Azubis werden bei jedem Projekt nach Kriterien der Bedürftigkeit/Vulnerabilität ausgewählt. Als ich im Oktober 2024 Palorinya besuchte, gab es ein Kursprogramm für 150 Frauen, die jung und alleinerziehend sind (siehe Fotos; einige halten ihre Babys auf dem Arm). Es gab typische Frauenberufe wie Schneidern und Friseur, aber auch Maurerei, Bäckerei und anderes zu lernen.
Im 20. Jahrhundert waren die Brüder der deutsch-sprachigen Comboni-Provinz dafür bekannt, dass sie in vielen Ländern Afrikas große Werk- und Ausbildungsstätten errichteten. Heute fehlen uns die Berufungen mit dem nötigen Know-How. Zwar werden existierende Werkstätten an afrikanische Mitbrüder oder andere Partner übergeben, aber es fehlen die Kapazitäten, Neues aufzubauen.
Der Einsatz von Br. Erich – früher in Lomin und jetzt in Palorinya – ist ein Geschenk für die Provinz. Es gab in Vorkriegszeiten eine zweite Comboni-Mission in Leer (Unity State), wo junge Menschen in verschiedenen Handwerksberufen und in der Landwirtschaft ausgebildet wurden. Leer wurde aber 2014 vollständig zerstört, und wir haben kein Vertrauen, dass es die nächsten 5 oder 10 Jahre dort ruhig bleiben wird. Daher können wir nicht in den Wiederaufbau investieren. Das ist die Tragik des Südsudan. Es gibt fast nur humanitäre Hilfe und wenig Entwicklungszusammenarbeit.
In dem Newsletter Weltkirche des Erzbistum Berlin (Anhang der Rundmail vom Dezember) habe ich geschrieben, dass die Comboni-Missionare sich u.a. in den Bereichen Bildung, Gerechtigkeit, Frieden, Versöhnung und Existenzsicherung („Livelihoods“) engagieren. Mit diesem Brief habt ihr einen Einblick in die Bereiche Bildung und Existenzsicherung erhalten. Ich wünsche euch, dass ihr in eurem Umfeld einen Teil dazu beitragen könnt, dass Menschen in Würde und mit Hoffnung ihr Leben bestreiten können.
Verbunden im Gebet,
euer Pater Gregor.
Weitere Berichte und Podcasts sind hier zu finden: https://comboni.de/missionare/p-gregor-schmidt