P. Banholzer Wilhelm (06.05.1873 – 21.02.1914)
Am 21. Februar 1914 um 1.00 Uhr nachmittags übermittelte mir der Generalgouverneur des Sudans folgendes Telegramm des Gouverneurs von Kodok: „Mit tiefem Bedauern melde ich den soeben hier erfolgten Tod des Paters Banholzer. Melden sie es gütigst der österreichischen Mission. Die Leiche wird mit Boot nach Lul gebracht“.
Das war ein ebenso unerwarteter und schwerer Schlag für mich und unser Vikariat. Einer unserer tüchtigsten Missionare wurde uns entrissen, dessen Verlust wir gerade jetzt, da das Vikariat die Schwierigkeiten des Anfangsstadiums hinter sich hat, doppelt fühlen.
Im letzten Winter war er öfters kränklich, obwohl sonst diese Jahreszeit die beste ist. Es wurde ihm wiederholt nahegelegt, in Khartum Erholung zu suchen. Er hing mit allen Fasern seiner Seele so sehr an seiner Station und an seinem Volk, dass er sich einstweilen nicht dazu entschließen konnte. Obwohl er heiter und fröhlich war, zehrte das fieberschwere Klima an der Widerstandsfähigkeit seiner kraftvollen Natur.
Am Mittwoch, den 11. Februar las er die letzte heilige Messe und am Abend zwang ihn das Unwohlsein, das Bett aufzusuchen. Er und alle hofften, dass der Fieberanfall sich bald legen werde. Aber am folgenden Tag stellten sich starker Schüttelfrost und heftiges Erbrechen ein, die Anzeichen von schwerer Erkrankung an Malaria, der unvermeidlichen Folge eines längeren Aufenthaltes in diesen faulen Sumpfgegenden. Seine Mitbrüder, die Schwester und zwei Neugetaufte gaben sich alle Mühe um ihn. Am Freitag legte er wie gewöhnlich seine Beichte ab. Am Sonntag wurde auf seinem Wunsch der Arzt von Kodok gerufen, welcher dem Kranken Chinin verabreichte und, da er den Zustand nicht für gefährlich hielt, am Montag wieder abreiste. Aber in der Nacht von Montag auf Dienstag verschlimmerte sich der Zustand wieder. Man holte wieder den Arzt, der am Dienstagabend den Kranken mit eigenem Schiff in das Spital von Kodok überführte. Ein Bruder und zwei Neugetaufte begleiteten ihn. Der Bruder kehrte am nächsten Tag zurück mit der guten Botschaft, dass es dem Superior viel besser gehe. Der Kranke wünschte sich, dass P. Isidor Stang, sein jahrelanger und treuer Mitarbeiter zu ihm nach Kodok komme, um mit ihm alles zu besprechen, dann wollte er mit dem nächsten Schiff nach Khartum gebracht werden. A Montag kam der kleine Dampfer und holte den Bruder, der den Kranken nach Khartum begleiten sollte. Indessen verschied dieser im Spital von Kodok, umgeben von zwei Christen und zwei Katechumenen. Am Abend brachte der Bruder die teure Leiche nach Lul, wo sie in der alten Kapelle aufgebahrt und am Sonntagmorgen um 8.00 Uhr in Gegenwart aller Christen und vieler Leute der Umgebung beerdigt wurde.
P. Wilhelm Banholzer wurde als Sohn einer angesehenen und kinderreichen Goldschmiedefamilie am 6. Mai 1873 zu Rottweil in Württemberg geboren. Nach Absolvierung des humanistischen Gymnasiums seiner Vaterstadt widmete er sich in Innsbruck dem Theologiestudium. Gott wollte ihn für die auswärtigen Missionen. Am 20. März 1895 trat er in das Noviziat der Söhne des Heiligsten Herzens Jesu in Verona für die Mission von Zentralafrika ein und legte 1897 die ersten Gelübde ab. Seine Oberen sandten ihn bald nach Afrika, wo er in Helouan/Ägypten am 19. Dezember 1897 zum Priester geweiht wurde.
Das folgende Jahr verbrachte er in der Afrikanerkolonie zu Ghesira bei Kairo und dann einige Zeit auf der Missionsstation Assuan. Nach dem Ende der Gewaltherrschaft des Kalifen war P. Banholzer unter den Ersten, der sich in das wiedererschlossene Missionsgebiet aufmachte und im September 1899 in Begleitung von P. Josef Ohrwalder die Mission Omdurman erreichte. Die Kolonialregierung hatte die Kongregation aufgefordert, eine Abordnung nach Khartum zu schicken, um ein neues Grundstück für die Mission auszuwählen, da die Regierung das frühere Grundstück mit Missionsgebäude übernommen hatte. Über die hat P. Banholzer einen langen Bericht veröffentlicht.
Am 21. November 1901 verließ er Omdurman, wo er vorübergehend eingesetzt war, und nahm in Begleitung von Bischof Antonio Roveggio an der Missionsfahrt der „Redemptor“ bis zum äußersten schiffbaren Punkt des oberen Nils teil. Am 23. Februar 1902 kehrte er nach Lul zurück. Der Bischof ernannte ihn zum Oberen von Lul. Diese Mission blieb von nun an sein Arbeitsfeld, dem er vom folgenden Jahr bis zu seinem Tod als Oberer vorstand. Nach dem am 4. Mai 1902 erfolgten unerwarteten Tod des Apostolischen Vikars, Bischofs Roveggio, wurde er von Rom als Apostolischer Administrator des Vikariats bestellt, in welcher Eigenschaft er die gesamte Mission bis Ende 1903 leitete.
Seine Wirksamkeit in Lul wird in den Annalen dieser Station unvergesslich bleiben. Er beherrschte die Schilluksprache so weit, dass er sich ohne Schwierigkeit mit den Leuten unterhalten konnte. Langsam errichtete er die notwendigen Gebäude der Mission und eine hübsche Kirche. Mehr aber noch als der materielle Ausbau der Mission lag ihm der religiöse Aufbau am Herzen. Am Anfang begegnete er allenthalben Misstrauen und Hochmut. P. Banholzer setzte den Leuten aber unerschöpflichen Gleichmut und arbeitsfreudige Hingebung entgegen. Erst nach Jahren erkannten sie seine wohlmeinenden Absichten und die übernatürlichen Beweggründe und Triebkräfte seines Wirkens. Allmählich wurde er ihnen alles.
Als gottbegnadeter Katechet und als überzeugender Prediger trat er an Sonntagen vor sein Volk. Von allem Anfang an hat er sich mit seinem ganzen Talent um das Erlernen der Sprache bemüht. Er drang in Geist und Aufbau der Sprache ein, erforschte ihre grammatikalischen Gesetze und syntaktischen Regeln und ergründete ihren Wortschatz. Er verfasste auch eine Grammatik. Die staunenswerte Kenntnis der Schilluksprache verschaffte ihm hohes Ansehen beim Volk. Er kannte nicht nur die religiösen Ansichten, Überlieferungen, Sitten und Gebräuche des Volkes, sondern konnte sie auch in ihrem genetischen Zusammenhang beurteilen. Sein langsames und schonendes Vorgehen im Bekehrungswerk wurde oft kritisiert.
P. Banholzer stand im ganzen Sudan in ungewöhnlich hohem Ansehen. Die Todesnachricht löste Gefühle allgemeiner Teilnahme aus und wurde als großer Verlust nicht nur für die christliche Mission, sondern auch für Land und Regierung empfunden.
Der Generalgouverneur schrieb: „Durch den Tod dieses hingebungsvollen Missionars und hochgebildeten Gentleman verliert ihre Mission eines ihrer fähigsten Mitglieder, dessen Name für immer mit der Einführung des Christentums und der Zivilisation bei dem großen Stamm der Schilluk und mit der Erforschung der Schilluksprache verbunden bleiben wird“. Der Leiter des Unterrichtsdepartements des Sudans, der anglikanische Bischof, Beamte und Ärzte der Provinz sandten telegraphisch oder schriftlich ihr Beileid und zahlreiche andere taten es mündlich. „Im Jahre 1914 ist er geistlicher Vater von 28 Neugetauften, unbestrittener Herrscher in hundert Herzen von Katechumenen, die geistige Autorität von Land und Volk, der anerkannte Freund und Wohltäter aller, an dessen Grabe der König und der Bauer, der Häuptling wie der Hirte trauern“.
P. Banholzer war ein Mann von überlegener Verstandeskraft und machtvoller Willensstärke. Nicht Gesetz, Regel, Methode oder Schablone waren ihm maßgebend, sondern das selbsterkannte Beste. Er liebte Geradheit und Schlichtheit. Lüge, Schein, Übertreibung und Beschönigung waren ihm fremd. Er gab sich wie er war und nahm kein Blatt vor den Mund.
Mit leiblichen Augen betrachtet, deckt sein Grabeshügel auf dem engen Friedhof der Missionskapelle in Lul vernichtete Hoffnungen und durchkreuzte Pläne. Was hätte dieser Missionar noch alles leisten können. Glänzende Fähigkeiten, Tatkraft, staunenswerte Kenntnis von Sprache und Geist des Volkes, vor allem eine derart heroische Hingebung, dass sein ganzes Sein und Sinnen sich für das Glück und die Seligkeit des Volkes verzehrte, alles Eigenschaften eines vollwertigen Missionars und alles nun unwiederbringlich vom stummen Grabe verschlungen. Das ist bis zu Tränen traurig. Lieber Pater Banholzer. Ich stehe mit den übrigen Missionaren an deinem Grabe. Und uns zur Seite stehen die schwarzen Neuchristen und Katechumenen. Diese Zeilen seien die Palme, mit der dein Bischof deinen Sarg umflicht. Und wir alle winden den Kranz der Liebe, Dankbarkeit und Bewunderung um das Grab. Wir ergreifen das Banner, das dir entfallen, heben es mutig auf und tragen es unentwegt durch Sturm und Wetter zum Siege, zum Siege Christi über dieses unser treues Schillukvolk.
(Khartum, 15. März 1914. † Fr. Xaver Geyer, Vicario Apostolico di Khartum).
Zusammenfassung des langen Nachrufs des Bischofs.