Rom, Juli 2020
In der Reihe „Austausch und Überlegungen“, die wir dieses Jahr dem Dienstamt widmen, darf ein Denkanstoß zur Frage der Methode nicht fehlen. In Evangelii gaudium (EG 24) veranschaulicht Papst Franziskus mit fünf Zeitwörtern die wichtigsten Elemente einer dienstamtlichen Aktion: die Initiative ergreifen, sich einbringen, begleiten, Frucht bringen, feiern. Aber wie kann man das alles auf organische und systematische Weise umsetzen? Für diese Überlegungen schlagen wir vor, die Methode des pastoralen Zyklus als ein kirchliches Erbe zu betrachten, was in diesem Zusammenhang äußerst hilfreich sein kann.

Der pastorale Zyklus

Der pastorale Zyklus ist eine Weiterentwicklung der von Joseph Cardijn in den 20er Jahren des vorigen Jahrhunderts entwickelten Methode der „Überprüfung des Lebens“, die auch als „Sehen - Urteilen – Handeln“ bekannt ist. Der belgische Priester, der eine sozio-politische Ausbildung erhalten hatte, entwickelte diese Vorgehensweise im Umfeld seines priesterlichen Dienstes mit der Bewegung der christlichen Arbeiterjugend, um Jugendliche in den Lebens- und Arbeitsbereichen zu begleiten, in denen sich die sozialistische und kommunistische Ausrichtung mit antiklerikalen Vorurteilen ausbreitete. Er hatte also die Notwendigkeit einer Methode erahnt, die sich für die Pastoral einer Kirche im Aufbruch eignet.

Cardijns große Intuition war es, Sozialwissenschaften und Pastoralarbeit miteinander zu verbinden. Im Laufe der Zeit hat sich diese Methode in der gesamten katholischen Welt verbreitet, bis sie in der Enzyklika Mater et magistra (1961) offiziell als Methode der Arbeiterpastoral anerkannt wurde. Später findet sie dank der Befreiungstheologie Eingang in Lateinamerika und verbreitet sich auch weiterhin in verschiedenen Milieus, indem sie sich besonderen Orten und Zeiten anpasst. Daher ist diese Methode heute unter verschiedenen Namen bekannt (Pastoralzirkel oder Zyklus oder Spirale usw.) und wird in vier, fünf oder sogar sechs Phasen unterteilt, obwohl es sich im Grunde um dieselbe Methode handelt. Das Grundschema bleibt das Sehen - Urteilen - Handeln. Dann aber kommt ein erster Schritt der Eingliederung (Insertion) hinzu, der grundlegend ist für einen Ansatz des Dienstamtes. Diesem folgen die soziokulturelle Analyse (sehen), die sich der Human- und Sozialwissenschaften bedient, und die theologische Überlegung (urteilen), in der man sich mit dem Evangelium und der sozialen Tradition der Kirche auseinandersetzt. Die Phase des Handelns kann dann formell in verschiedene Schritte aufgegliedert werden, um die Bedeutung einiger Aspekte zu unterstreichen, die häufig vergessen oder vernachlässigt werden, wie z. B. das Überprüfen und Feiern.

Aktualität des pastoralen Zyklus: die Stärke der Insertion

Heute ist es offenkundig, dass diese Methode nicht nur für die Sozialpastoral von unschätzbarem Wert ist, sondern auch für jede andere Initiative des Dienstamtes. Denn die pastorale Begleitung muss lebensfördernde Beziehungen entwickeln und die Erfahrungen, Situationen und Probleme der Menschen nach deren Sichtweise und mit Empathie betrachten. Dabei kommt es besonders auf den richtigen Moment an, eine Begleitung zu beginnen mit dem Ziel, Menschen und Gemeinschaften zu erneuern, was für gewöhnlich mit deren Alltag, Motivation, Gefühlen und kritischen Situationen zu tun hat. Der Eingliederung (Insertion) ist es zu verdanken, dass ein Seelsorger imstande ist, all das zu erfassen, die Initiative zu ergreifen, die existenziellen Randgebiete aufzusuchen und sich einzubringen. Für Comboni ist die Eingliederung ein charismatisches Merkmal (vgl. Ratio missionis), mit dem man ausdrückt, dass man an der Seite der Armen steht und dort, wo man den Dienst erfüllt, die Stunde Gottes erkennt, insbesondere in Krisensituationen.

Eine soziokulturelle Analyse, die Hoffnung erweckt

Hier setzt die pastorale Begleitung an mit dem Ziel, die Menschen zu Protagonisten ihres eigenen Weges zu machen sowie Bevormundung und Abhängigkeiten zu überwinden (vgl. die Wiedergeburt Afrikas durch Afrika). Es geht darum, sich mit den Menschen auf den Weg zu machen, um im Auferstandenen wiedergeboren zu werden; einen Wandlungsprozess zu beginnen und dabei nicht nur auf die Symptome einzugehen, sondern zu den Ursachen der Probleme vorzudringen. Wenn eine Gemeinschaft, eine Gruppe von Menschen die Ursachen ihres eigenen Unbehagens oder ihrer Armut nicht klar erkennt, ist sie nicht in der Lage, sie entsprechend zu beeinflussen und neigt vielmehr dazu, den Mut zu verlieren, zu resignieren, sich in die eigene Welt zurückzuziehen, um einen Lebensraum für sich zurückzuerobern. Zudem macht sie große Vereinfachungen und irreführende Interpretationen der Realität attraktiv, ein heutzutage sehr häufiges Instrument, um Menschen zu manipulieren und zu beherrschen. Sobald die Gruppe aber ihre eigene Lage und den globalen Kontext kritisch unter die Lupe nimmt, blüht die Hoffnung wieder auf, und sie nimmt die Gestaltungskraft wieder in ihre Hand.

Theologische Reflexion: Schlüssel zum Wandel

Die Phase der Analyse hilft auch, die eigenen Widersprüche und Probleme ans Tageslicht zu bringen, die einen hervorragenden Ausgangspunkt für eine Reflexion über die Erfahrung im Licht des Glaubens bieten, was die Entscheidungsfindung vervollständigt. Das ist die theologische Reflexion, die den pastoralen Zyklus kennzeichnet und zur Entscheidung führt, zur Aktion überzugehen. Es ist wahrhaft der Wendepunkt und ein Gnadengeschenk auf dem Weg der Wiedergeburt im Auferstandenen. Es ist auch der Ort, wo der Dialog stattfindet zwischen der Erfahrung, dem Alltag der Menschen und den sinngebenden, sie leitenden Perspektiven, die die Ereignisse und Situationen interpretieren: ein Dialog zwischen den kulturellen Werten, einer Weltvision und dem Evangelium, oder auch ein Prozess, der die Bedingungen für eine Inkarnation des Evangeliums bietet. Es ist ein günstiger Augenblick, sich zu bekehren, sich einer authentischen Begegnung mit dem Auferstandenen bewusst zu werden, und damit auch eine Berufung zu entdecken, auf die Situation einzugehen, über die man reflektiert hat.

Laut Combonis Plan (S 2742) führt diese Reflexion dazu, die Realität mit den Augen des Glaubens anzuschauen und entschlossen, konkret und prophetisch auf die Einladungen des Geistes zu antworten.

Der zusammenwirkende Stil der Aktion

Die Aktionsphase ist ziemlich gegliedert. Normalerweise braucht es ein Programm, manchmal auch Zeit und Energie sich vorzubereiten, um sich die entsprechenden Kompetenzen anzueignen oder zu entwickeln. Die dienstamtliche Begleitung verlangt in der Tat, dass sich die Gruppen und Gemeinschaften, mit denen man unterwegs ist, ständig weiterbilden. Das wird umso wirkungsvoller sein, desto mehr sie bereits mitplanen. Überwachungs- und Überprüfungsmechanismen müssen vorgesehen werden, da solche leicht vergessen oder ignoriert werden.

Der dienstamtliche Ansatz basiert auf der Zusammenarbeit von Pastoralteams, auf der Synodalität und der Vernetzung, auf einem Dienststil unter dem Gesichtspunkt eines gemeinsamen Prozesses. All das improvisiert man natürlich nicht. Es braucht Organisation, Offenheit, Demut und Vertrauen. Handeln allein genügt nicht, man muss auch gemeinsam reflektieren über das, was man tut, wie man es tut; über das Endergebnis einer Handlung; über das, was man lernt und vor allem über die Gegenwart und Aktion Gottes auf diesem Weg. Bei der Feier kommt das alles zum Vorschein, wird vertieft und bereichert mit neuem Bewusstsein, neuen Gaben und erneuerter Inspiration, aber auch mit der Möglichkeit, Beziehungen zu erneuern und Einheit aufzubauen. Auf diese Weise wird das Leben gefeiert, das uns unterwegs geschenkt wurde und das wir in Empfang genommen haben. Es geht nicht so sehr darum, „Erfolge zu feiern“, sondern anzuerkennen, dass „die Werke Gottes am Fuße des Kreuzes geboren werden“. Von hier kommt dann der Schwung, einen weiteren dienstamtlichen Zyklus einzuleiten.

Zusammenfassend ergeben sich zwei Überlegungen: Einmal, dass der Pastoralzyklus als Methode des Dienstamtes Kompetenzen braucht, die erworben und entwickelt werden müssen. Nicht, dass alle alles wissen müssten, aber ein Team sollte mit einer Reihe von Hilfsmitteln vertraut sein, mit einer Art „Werkzeugkasten“. Und schließlich müssen wir uns fragen, wie wir diese Kompetenzen an die Menschen weitergeben können, sei es im Bereich der Erstausbildung, sei es in der Mission durch die Weiterbildung, die den besonderen Situationen und Bedürfnissen Rechnung trägt.
Br. Alberto Parise mcc

Übersetzung: Pater Alois Eder