Donnerstag, 7. September 2017
„Die Anwendung der neuen Missionsmethode bedeutet nicht, die Vergangenheit verschrotten, um etwas ganz Neues einzuführen. Es handelt sich vielmehr darum, die verschiedenen Aspekte des Lebens und des Missions-dienstes in die Missionsvision des letzten Generalkapitels und in den Erneuerungsprozess unserer Präsenzen und unseres Missionsdienstes einzubinden (spezifische Pastoral-arbeit, Personen, Neuausrichtung, Ökonomie)“, schreibt Br. Alberto Parise, Comboni-Missionar.


Die neuen Methoden
und Herausforderungen der Mission

Papst Franziskus hat das Modell der “Kirche im Aufbruch” als Missionsprogramm für unsere Zeit gewählt und damit die Vision des II. Vatikanischen Konzils wieder hervorgeholt. Dieser Schritt ist bedeutungsvoll, da er der heutigen Welt entspricht, die sich im Vergleich zu früher sehr stark verändert hat. „Wir erleben heute nicht so sehr eine Zeit des Wandels, sondern vielmehr einen Zeitenwandel“. Mit diesen Worten erinnert uns Papst Franziskus daran, dass die alten Formen, nach denen wir die Welt und die Mission betrachtet haben, den heutigen Herausforderungen nicht mehr gerecht werden. Die neue globale Wirklichkeit ruft nach einer „globalen Mission“, die in ihrer ganzen Komplexität gesehen und mit aktualisierten Voraus-setzungen, Handlungsweisen und Einrichtungen ange-gangen werden muss (EG 33).

Die Umwälzungen der letzten Jahrzehnte, verursacht durch die Globalisierung und die Mobilität der Menschen, haben nie dagewesene Ausmaße erreicht und das klassische Kirchenmodell, Missionare aus dem Norden in die Länder des Südens auszusenden, überholt. Auch in den Arbeitsgebieten der Comboni-Missionare ist dieser Wandel offensichtlich. Er zeigt sich in der Zusammensetzung und Verteilung des Personals, sowie in der Missionarischen Bewusstseinsbildung, die nun alle Provinzen und nicht mehr nur jene des Nordens als eine ihrer wesentlichen Aufgaben betrachten.

Der geographische Faktor ist nicht mehr der Hauptbezugspunkt der Mission. Die Idee der Randgebiete bleibt bestehen, aber als solche gelten jetzt die menschlichen und existenziellen Situationen. Das ist für die Missionskongregationen eine große Herausforderung, denn die Mehrheit ihrer heutigen Mitglieder hat ihre Mission mit einem bestimmten geographischen Gebiet identifiziert. Es besteht eine gefühlte Bindung an die Geographie und Geschichte. Der Begriff „globale Mission“ erzeugt ein gewisses Unbehagen, eine Art Angst, im nördlichen Teil der Welt oder in der eigenen Heimatprovinz festsitzen zu müssen, da ja „überall Missionsland ist“, „auch Europa“. Diese Sorge – wie verständlich und gerechtfertigt sie auch sein mag – spiegelt jedoch noch das geographische Modell wider, das aber bereits als überholt angesehen wird. Wie schaut nun die Alternative aus, die mehr der heutigen Realität entspricht?

Papst Franziskus lädt uns ein, von den Randgebieten auszugehen, “die das Licht des Evangeliums brauchen” (EG 20). Diese sind nicht nur eine geographische Angelegenheit, sondern die Folge eines Wirtschaftssystems, das Ausgrenzungen verursacht, und einer Wegwerfgesellschaft, die Armut und Gewalt erzeugt. Das Licht des Evangeliums in diese Gebiete zu bringen, verlangt in erster Linie Einbindung, das heißt:

- tief verwurzelte Präsenz im Arbeitsgebiet;

- Teilnahme am Alltagsleben der Menschen;

- Solidarität mit ihren Sorgen und Nöten;

- Begleitung dieser Menschen in ihren Problemen, wie gravierend und anhaltend diese auch sein mögen.

Das ist der Schlüssel zum spezifischen pastoralen Dienst: das Mitgehen ist nicht allgemeiner Natur, keine normale in die Randgebiete verlegte Pastoral. Beim Generalkapitel 2015 ist darauf hingewiesen worden, dass wir unserem Charisma entsprechend in einigen sehr wichtigen Randgebieten bereits eingebunden und präsent sind, wie z. B. unter den Afroamerikanern, den indigenen Völkern von Lateinamerika oder unter den Hirtenvölkern und den Slum-Bewohnern Afrikas. Aber oft handelt es sich dabei nicht um eine spezifische Pastoral, da das besondere Umfeld, die Umstände, die Ortskultur, die Einmaligkeit jenes Volkes kaum berücksichtigt werden. In der heutigen komplexen Welt muss vielmehr eine Vielfalt von Diensten angeboten und das Evangelium als Gemeinschaft verkündet werden. Apostolische Gemeinschaften, die nicht nur zusammen-arbeiten, indem sie sich ihrer eigenen Gaben bewusst sind und sie miteinander teilen, legen auch Zeugnis für das Reich Gottes ab, indem sie in brüderlicher Liebe und Einheit ihre Mannigfaltigkeit leben.

Diese Elemente sind nicht „neu“. Jedes für sich allein genommen, ist wahrscheinlich schon in verschiedenen Erfahrungen der Kongregation da und in mehreren Generalkapiteln bereits besprochen worden. Aber jetzt müssen wir sie mit neuer Sicht oder als Paradigmen übernehmen, das heißt, alle wesentlichen Aspekte der Mission müssen in diesem Licht neu ausgerichtet werden. Das Bild der „Kirche im Aufbruch“ ist eine Ikone, die eine Idee von Mission und eine Pastoralmethode empfiehlt (Initiativen ergreifen, sich einbringen, begleiten, Frucht bringen, feiern (EG 24). Das ist beispielhaft, denn auch andere wesentlichen Aufgaben wie die Ausbildung und Organisation der Kongregation auf den verschiedenen Ebenen müssen abgestimmt und nach dieser Mission ausgerichtet werden.

Wie können wir nun in der Praxis dieses Modell anwenden und welchen Herausforderungen müssen wir uns stellen? Das Generalkapitel empfiehlt uns, von der Mission auszugehen, indem wir die kontinentalen Schwerpunkte identifizieren, die von mehreren Provinzen mitgetragen und auf interprovinzieller und kontinentaler Ebene weitgehend gelebt werden. Im Umfeld dieser Schwerpunkte sollen wir spezifische Pastoraldienste entwickeln, um unsere Arbeitsfelder und den Missionsdienst neu zu gestalten. Dieses Prinzip wird uns helfen, auch die Ausbildung und die Neuausrichtung der Kongregation zu überdenken.

1. Spezifische Pastoralmodelle entwickeln

Es ist Aufgabe der Kirche, eine spezifische Pastoral zu entwickeln, denn das kann man nicht im Alleingang machen. Dazu braucht es Dialog, Mitbeteiligung, Mitarbeit, vielseitige Kompetenzen und Erfahrungen. Vor allem aber braucht es eine Methode, um alle Beiträge zu bewerten, Erfahrungen und verschiedene Perspektiven kennen-zulernen und Einheit in der Unterschiedlichkeit zu schaffen. Eine spezifische Pastoral  wird angenommen, sobald sich alle trotz der Vielfalt von Gesichtspunkten, theologischen Ansichten, Sensibilitäten und Dienstämtern in ihr wiedererkennen, ohne auf das eigene Identitätsgefühl verzichten zu müssen. Das ist äußerst wichtig, besonders in einer Kongregation, die immer internationaler wird und die Herausforderungen der kulturellen Vielfalt zu leben beginnt.

All das wird möglich, wenn man sich über wichtige Erfahrungen in der spezifischen Pastoral, mit der man sich gerade beschäftigt, mit Hilfe der Indagine elogiativaAppreciative Inquiry austauscht. Die gemeinsame Reflexion über solche neuen Erfahrungen führt zu neuen Intuitionen und zeigt auf, was einen pastoralen Dienst in jenem Kontext fruchtbar macht.

Um die Gründe für ihre Wirksamkeit besser zu verstehen und die Dynamik zu vertiefen, werden diese Erfahrungen mit Hilfe einer sozio-kulturellen Analyse der Kontexte der spezifischen Pastoral gegenübergestellt, um das Gesamt-bild, die Dynamiken und Trends klar zu sehen.

In analoger Weise hilft uns eine theologische und pastorale Reflexion über jene Realität, unsere Dienstämter klarer zu definieren und die wirksamsten Werkzeuge zu finden.

Der nächste Schritt ist die gemeinsame Beschäftigung mit einigen Prinzipien, die uns in jenem spezifischen pastoralen Umfeld leiten können. Weil es aber nur Leitlinien sind, bieten sie keine vorgefertigten Lösungen, sondern lassen Spielraum, sich den besonderen Situationen anzupassen und kreativ zu werden. Auf dieser Basis wird es möglich sein, einen einheitlichen Weg einzuschlagen, um weiterhin zu experimentieren, weiterzusuchen, zu lernen, Erfahrungen und Personal auszutauschen, neue Ideen und Ergebnisse zu dokumentieren.

2. Die Neuausrichtung

Um spezifische Pastoralmethoden zu entwickeln und umzusetzen, müssen wir allmählich unsere Präsenzen und Einsätze neu ausrichten. Bis jetzt ist für unsere missionarische Präsenz hauptsächlich das geographische Element ausschlaggebend gewesen: die Mitbrüder werden in eine Provinz und dann je nach den Bedürfnissen in eine Hausgemeinschaft versetzt. Diese Struktur beruht auf dem Prinzip, dass die Missionsarbeit im Allgemeinen – neben einigen speziellen Diensten – darin besteht, christliche Gemeinden oder Pfarreien zu gründen und zu entwickeln. Aber das ist nicht die einzige mögliche Art, die Missionsarbeit zu organisieren.

So haben zum Beispiel die Jesuiten vor einigen Jahrzehnten begonnen, ihren Missionsdienst auch auf die menschlichen Bedürfnisse der Flüchtlinge, der AIDS-Kranken und auf ungerechte  Strukturen auszuweiten. Das Personal wird entsprechend vorbereitet und diesen Diensten zugeteilt.

In letzter Zeit haben auch die Comboni-Missionare begonnen, sich über pastorale Einsätze unter den Ausgegrenzten und über Pastoraldienste in besonderen Milieus Gedanken zu machen (KD’03 n. 43 e 50; KD ’09 n. 62-63; KD ’15 n. 45). Sicher darf man das geographische Element nicht übersehen, da auch diese Menschengruppen im Raum verteilt leben. Zur Einbindung in die Ortskirche gehört auch die Pfarrarbeit, aber das uns leitende Prinzip muss die spezifische Pastoral unter diesen Völkern sein. Dazu braucht es:

a. Pastoralteams. Sie setzen sich aus verschiedenen Pastoralkräften zusammen, haben spezifische Aufgaben, besitzen verschiedene Gaben und arbeiten als Gruppe. Angesichts der Vielschichtigkeit der heutigen Welt ist es angebracht, dass sich Mitbrüder mit verschiedenen Qualifikationen zusammentun und auch Experten in Human- und Sozialwissenschaften mit dabei sind.

Die Vielfalt von Kompetenzen bereichert die Zusammenarbeit. Die verschiedenen Nationalitäten und Kulturen innerhalb des Teams, die brüderlich beisammen leben, sind ein prophetisches Zeichen für die heutige Welt, die immer mehr auseinanderdriftet und zerstritten ist. Diese Einheit/Solidarität kennzeichnet ein Pastoralteam, das nicht nur ein Arbeitsteam, sondern eine Gruppe von Brüdern und Missionaren ist.

Natürlich haben größere Gemeinschaften bessere Möglichkeiten, überzeugend zu wirken, da sie Kompetenzen und sich ergänzende und übergreifende Dienstämter zusammenlegen können (z. B. GPIC), um zum Beispiel den Urlaub besser zu planen oder aus Gesundheitsgründen abwesende Mitbrüder leichter zu ersetzen; tiefergreifende Überlegungen zu entwickeln und Kompetenzen und Ressourcen mit anderen Gemeinschaften zu teilen, die sich der gleichen spezifischen Pastoralarbeit widmen. Das wird eine Verminderung von Gemeinschaften mit sich bringen müssen, wird aber gleichzeitig die Arbeit im Netz auf lokaler Ebene und unter den Provinzen erleichtern.

b. Arbeit im Netz. Das Pastoralteam arbeitet nicht im Alleingang, sondern ist in die Kirche eingebunden und arbeitet mit der Ortskirche zusammen. Ja noch mehr, es arbeitet auch mit Gruppen der Zivilgesellschaft für die soziale Umgestaltung zusammen, wobei es sich an den Werten des Reiches inspiriert. Es gibt noch weitere Ebenen der Zusammenarbeit, die uns die Erfahrung als wichtig aufzeigt: z. B. die Zusammenarbeit im Netz mit anderen Gemeinschaften und mit Pastoralteams, sei es auf regionaler oder auf internationaler Ebene.

Ohne diese Unterstützung und diesen ständigen Ansporn, sich zu öffnen und zu wachsen, Ressourcen miteinander zu teilen und sich auszutauschen, wird einem Team bald der Sauerstoff ausgehen. Das gilt besonders für Forschungs-arbeiten und Versuche; für das ständige Dazulernen und die Reflexion über gelungene Erfahrungen; für neue Wege. Die Welt geht ihren Weg weiter, das Pastoralteam läuft aber Gefahr, stehen zu bleiben und zu verknöchern oder auf die Herausforderungen nur zu reagieren, anstatt sich schöpferisch damit zu beschäftigen. 

c. Unterstützende Strukturen. Die einzelnen Teams, die auf lokaler Ebene die gleiche spezifische Pastoral betreiben, müssen zusammenarbeiten und sich gegenseitig unter-stützen. In diesem Kontext könnten sie Initiativen der Weiterbildung, der Forschung und der Erprobung anbieten, um die Menschen auf ihrem Weg besser begleiten zu können. Die Zusammenarbeit mit akademischen In-stitutionen und Forschungsgruppen sowie auch mit den spezifischen Sekretariaten kann eine nützliche Hilfe sein.

Auch die Strukturen, in denen wir leben oder die wir verwalten, müssen überdacht werden. Diese können nämlich den Kontakt der Gläubigen mit den Missionaren erschweren oder die Zeit so in Anspruch nehmen, dass deswegen die direkte Begegnung mit den Leuten leidet oder die Bereitschaft schwindet, gemeinsam unterwegs zu sein.

Es sei auch darauf hingewiesen, dass uns der Gemein-same Fonds helfen kann, ein gemeinsames und verant-wortungsbewusstes Programm im Rahmen einer spezifischen Pastoral auf Provinzebene zu erstellen. Die ökonomische Dimension hält sich nämlich an die Wahl des Stiles, der Mittel, der Kooperation und der Planung eines Pastoralbereiches, mit dem die gemeinsamen Projekte in einer Wechselwirkung stehen.

Die Reduzierung von Einsätzen und die Erneuerung unserer Präsenz und missionarischen Dienste, die das letzte Generalkapitel fordert, werden folgen, wenn wir die Hilfen und die Methode anwenden, sie gemeinsam zu verwirklichen. Hier steht die Wirksamkeit einer Leitung auf dem Spiel, denn sie soll nicht nur verwalten, sondern uns einem neuen Frühling entgegenführen.

3. Eine gezielte Ausbildung

Auch die Ausbildung besonders der Scholastiker muss überdacht werden, um pastorale Kompetenzen zu entwickeln. Die Programme der Theologie garantieren für gewöhnlich eine theologische, akademische Vorbereitung, aber vermitteln nicht schon automatisch Haltungen und Kompetenzen, die den Pastoralkräften bei ihrem Dienst so nützlich wären. Auch statten sie die Studierenden nicht mit den entsprechenden Methoden und praktischen Hilfen aus, die ihnen in der spezifischen Pastoral sehr zugute kämen.

Es ist selbstverständlich, dass ein Studiengang umso nützlicher ist, desto mehr er der Auswahl von spezifischen Pastoralarbeiten der Kongregation entgegenkommt. Man könnte eventuell die Ausbildung der Scholastiker mit den pastoralen Schwerpunkten des Kontinents, in dem sie studieren, abstimmen. Auch wenn ein Scholastiker dann in einem anderen Kontext eingesetzt wird, werden ihm die erworbenen pastoralen Kompetenzen auch dort nützlich und eine gute Voraussetzung sein, sich neue anzueignen.

Schluss

Die Anwendung der neuen Missionsmethode bedeutet nicht, die Vergangenheit verschrotten, um etwas ganz Neues einzuführen. Es handelt sich vielmehr darum, die verschiedenen Aspekte des Lebens und des Missions-dienstes in die Missionsvision des letzten Generalkapitels und in den Erneuerungsprozess unserer Präsenzen und unseres Missionsdienstes einzubinden (spezifische Pastoral-arbeit, Personen, Neuausrichtung, Ökonomie).
Br. Alberto Parise mccj
September 2017

Fragen

1. Um spezifische Pastoralmethoden zu entwickeln, muss man die Realität gut kennen. Ist es allgemeine Praxis (in den Gemeinschaften, den Regionen, den Jurisdiktionsbereichen und Kontinenten), die Realität genau zu studieren (durch Anwendung zum Beispiel des Hermeneutischen Zirkels), um pastorale Bedürfnisse zu identifizieren und Maßnahmen zu ergreifen, ihnen zu begegnen?

2. Welche Schritte sind in Deiner Provinz unternommen worden, Ziele, Strukturen, Stile und Methoden der Evangelisierung nach dem pastoralem Gesichtspunkt zu überdenken?

3. Spezifische Dienstämter (die zum Beispiel die Afro-amerikaner, die indigenen Völker Lateinamerikas, die Hirtenvölker in Afrika, die Slum-Bewohner und die Flüchtlinge usw. betreffen) erfordern neben den Pasto-ral-Teams die Arbeit im Netz (Internet) und stützende Strukturen, die aber pastorale Aussichten auf Kontinentalebene haben sollten. In wieweit vermag unser Pastoralplan die geographischen Grenzen der Jurisdiktionsbereiche zu sprengen und einen kontinentalen Zugang zu finden? Welche Strukturen auf Kontinentalebene müssten verstärkt werden, um gemeinsame pastorale Anliegen zu fördern?

Übersetzung: P. Eder Alois, mccj, Ellwangen